Aus Doktor Klimkes Perspektive

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Overview

Schein oder Sein? Wahn oder Wirklichkeit? In Håkan Nessers Erzählungen ist nichts, wie es auf den ersten Blick scheint. Da werden die falschen Männer aus den falschen Motiven umgebracht, stehen mutmaßliche Mörder unter irrtümlichem Verdacht, nimmt die Eifersucht pathologische Züge an, wird ein unseliges Verbrechen nach Jahrzehnten überraschend geklärt. Ende gut, alles gut? Nicht, wenn man Doktor Klimke folgen will. Seine Sicht der Dinge ist ein wenig komplizierter. Nessers Geschichten handeln von Menschen, die von den unvorhersehbaren Kapriolen des Daseins betroffen sind: Der Sprachlehrer, der die handgeschriebene Notiz einer Frau bekommt, die eigentlich seit über dreißig Jahren tot ist; der Schriftsteller, der nach Venedig reist, in die Stadt des Todes und der Seufzer, und in die Selbstmordpläne eines Liebespaares verwickelt wird und schließlich eine fatale Entscheidung trifft. Wer will schon richten über ihn? Aus Doktor Klimkes Perspektiven sind die Unwägbarkeiten des Lebens nur eine Frage der Perspektive. Wer mordet, sündigt manchmal nicht. Doch die Folgen muss er schließlich trotzdem tragen …

Product Details

ISBN-13: 9783894805920
Publisher: btb Verlag
Publication date: 07/31/2007
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 288
File size: 1 MB
Language: German

About the Author

Håkan Nesser, geboren 1950, ist einer der beliebtesten Schriftsteller Schwedens. Für seine Kriminalromane erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, sie sind in über zwanzig Sprachen übersetzt und mehrmals erfolgreich verfilmt worden. Håkan Nesser lebt abwechselnd in Stockholm und auf Gotland.

Read an Excerpt

Ich fuhr nach Venedig, weil ich eine Novelle schreiben musste.
Ich hatte während des letzten Jahres drei Romananfänge hinter mich gebracht, mit denen ich Schiffbruch erlitten hatte, und in der Stadt des Todes und der Seufzer kann ja wohl ein jeder zumindest eine Novelle zustande bringen.
Oder zumindest eine Novelletta, wie mein Verleger vorgeschlagen hatte, eine fünfzig- bis hundertseitige Erzählung, das war ein zu Unrecht ins Vergessen geratenes Format. Wir fuhren an einem Samstag im März ab, meine Ehefrau hatte sich eine Woche von der Zeitung freigenommen und fuhr mit, um zu fotografieren und darauf zu achten, dass ich nicht den Mut verlor.
Wir kamen am späten Nachmittag an, nahmen das Boot vom Flughafen, und als wir den Markusplatz überquerten, empfing uns ein schneidender, düsterer Wind. Regen und Dämmerung hingen in der Luft, die Touristenscharen hatten die Tauben ihrem Schicksal überlassen und befanden sich in den Bars oder in Paris. Was weiß denn ich. Das Klaviertrio vor dem Florian spielte für leere Stühle. Corelli, wenn ich mich nicht irre.
Wir fanden das Hotel Bonvecchiati, in dem wir schon einmal gewohnt hatten, und bekamen das Zimmer nach unserem Wunsch - Nummer 322 - mit Blick über die beiden Kanäle Fuseri und Orseolo und die Brücke mit den unermüdlichen afrikanischen Taschenverkäufern. Der Gondelverkehr war für diesen Tag beendet, wir duschten und tranken jeder ein Glas Amaro auf dem Zimmer, bevor wir in einer der Gassen in der Nähe nach einem kleinen Lokal suchten.
»Nun«, sagte meine Ehefrau, als wir bei Panna Cotta und Portwein angelangt waren. »Hast du schon irgendwelche Ideen?«
Ich musste zugeben, dass ich keine hatte. Schließlich war es gerade mal der Abend des ersten Tages, erinnerte ich sie. Da gab es noch viel Zeit, und um eine Novelle zu schreiben, musste man nur Augen und Ohren offen halten.
»Ich bin nur froh, dass nicht ich der Schriftsteller in dieser Ehe bin«, erwiderte meine Ehefrau und streichelte ihre Minolta, die auf dem Tisch zwischen uns lag und die sie bereits zwanzig, dreißig Mal abgefeuert hatte, seitdem wir gelandet waren. »Vielleicht sitzt sie ja bereits hier?«
»Wer?«, fragte ich.
»Die Novelle«, antwortete meine Ehefrau. »Vielleicht ist es der Mann, der da hinten in der Ecke sitzt. Nein, guck jetzt nicht so auffällig hin.«
Ich nutzte die Gelegenheit, ihn zu betrachten, als wir bezahlt hatten und das Lokal verließen. Es war ein dürrer Herr in braunem Tweedanzug mit sorgenvollem Pferdegesicht. Er saß über ein Pastagericht und ein Buch gebeugt, und er sah aus, als beherbergte er ungefähr genauso viele Geheimnisse wie ein Glas Wasser.
Obwohl er schon ein wenig an H.C. Andersen erinnerte, das musste ich zugeben.
»Ich glaube nicht«, erklärte ich, als wir wieder draußen auf der Gasse standen. »Und außerdem habe ich beschlossen, dass die Erzählung nicht vor morgen beginnen wird.«
»Kein Problem«, sagte meine Ehefrau und packte meinen Arm, »du hast ja die ganze Woche Zeit dafür.«
Wir nahmen ein zeitiges Frühstück in dem großen marmorverkleideten Speisesaal zu uns - mit grotesken Dekorationen wohl aus der Muraner Glasbläserhütte und ein paar freifliegenden Spatzen, die von den schmutzigen Fensterscheiben wieder und wieder in ihrem vergeblichen Fluchtversuch gebremst wurden.
»Warum lassen sie die nicht raus?«, wollte meine Ehefrau wissen. »Ich weiß ja, dass sie es lieben, Vögel in Käfige zu sperren, aber Spatzen in einem Speisesaal, das ist doch absurd.«
»Wahrscheinlich haben sie sie nicht absichtlich hereingelassen«, schlug ich vor. »Bestimmt sind die von allein reingekommen, und jetzt finden sie nicht mehr hinaus.«
»Sag das nicht«, widersprach meine Ehefrau. »Man kann nie wissen, auf welche Perversionen sie in dieser Stadt so alles kommen.«
Es war erst Viertel nach sieben, meine Ehefrau wollte hinaus, um zu fotografieren, bevor die Touristenscharen sich durch die Gassen und über die Brücken schoben, und wir waren fast allein im Restaurant. Nur an einem Tisch zum Kanal hin saß ein anderes Paar, das jedoch schnell meine Aufmerksamkeit fesselte, weil etwas Besonderes sie umgab.
Aber schließlich bin ich morgens auch ungewöhnlich aufmerksam, eine Eigenschaft, die sich im Laufe der Jahre noch verstärkt hat - und die in meinem Beruf ab und zu von großem Nutzen ist.
Es waren also ein Mann und eine Frau. Der Mann irgendwo zwischen fünfundvierzig und fünfzig, soweit ich das beurteilen konnte, die Frau bedeutend jünger. Irgendetwas über zwanzig wahrscheinlich. Beide hatten dunkle Haare, er kurzgeschnitten mit grauen Einsprengseln, dazu ein ausdrucksvolles Gesicht, in gewisser Weise wie gemeißelt, mit tief liegenden Augen und einer Nase, die man fast als klassisch griechisch bezeichnen konnte. Heller Anzug, Krawatte und dunkelrote Weste. Die Frau trug ein schlichtes rotes Kleid mit schwarzen Punkten und ein Haarband im gleichen Muster, nur umgekehrt. Rote Punkte auf schwarzem Grund. Sie war sehr schön, reine, klare Züge, das Haar im Pagenschnitt, und auch sie konnte als griechisch durchgehen, dachte ich - doch als sie über ihre Kaffeetassen hinweg miteinander sprachen, geschah das in einem Englisch, das alle Zweifel zerstreute.
Sie waren Amerikaner. Es sah so aus, als hätten sie sich bereits für irgendeine Art von Ereignis angezogen, trotz der frühen Stunde. Was jedoch dazu führte, dass ich meinen Blick nicht von ihnen wenden konnte, war die Art und Weise, wie sie sich zueinander verhielten. Darin lag eine Art behutsamer Respekt, eine Zärtlichkeit, die in allen ihren Bewegungen zu spüren war, in ihrer Haltung und wie sie einander gegenübersaßen - wie sie einander betrachteten; die Choreographie der Blicke, eine Art verschleierte Konzentration und eine Nähe, in der jedes Wort und jeder Blick eine äußerst starke Bedeutung zu haben schienen, die nicht versäumt werden durfte.
Sie sprachen leise miteinander, nicht so lautstark, wie es amerikanische Touristen gern tun, ich konnte nur das eine oder andere zufällige Wort aufschnappen, obwohl doch nicht mehr als drei, vier Meter zwischen unseren Tischen lagen.
»Woran denkst du?«, fragte mich meine Frau.
Ich machte ein vorsichtiges Zeichen über ihre Schulter. »Dieses Paar dort«, flüsterte ich. »Sie sehen aus wie Südeuropäer oder Levantiner, aber wahrscheinlich ist es nur ein amerikanischer Geschäftsmann mit seiner Tochter.«
Meine Gattin stand auf und holte sich frischen Kaffee, um den Kopf nicht verdrehen zu müssen.


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