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CHAPTER 1
Ich war auf Gedeih und Verderb eine geborene Reisende, wollte überall hinkommen und alles sehen. Am deutlichsten erinnere ich mich noch an einen Morgen, als ich fünf oder sechs Jahre alt war und ohne jede Hast oder Schmiererei, sondern mit großer Sorgfalt auf einen Zettel schrieb:
Liebe Mutter, wie hübsch Du bist. Ich finde Dich ganz wunderbar. Leb wohl, Martha.
Ich machte eine Reißzwecke ausfindig, heftete meinen Brief an den oberen Endpfosten des Treppengeländers und marschierte dann ohne einen einzigen Laut und ohne irgendetwas mitzunehmen zur Haustür hinaus. Zielstrebig schritt ich den Häuserblock hinunter, denn ich hatte alles seit Langem geplant, stahl mich auf den Wagen des Mannes, der uns das Eis lieferte, und hoffte, weit entfernt von St. Louis, irgendwo draußen in der Welt zu landen.
Während jenes langen Sommertages blieb ich die ganze Zeit über versteckt und freudig erregt. Als blinder Passagier zu reisen trug zu diesem Gefühl bei, und auch, dass ich heimlich allein fortgegangen war. Noch mehr überzeugte mich jedoch der seltsame Anblick, der sich mir durch die Risse im Wagen bot: Fabriken und Viertel und weitläufige Gegenden meiner eigenen Heimatstadt, die ich nie zuvor gesehen oder auch nur erahnt hatte. Ich war glücklich und vergaß sogar meinen Hunger, bis zur Abenddämmerung, als ich einen Blick auf den Forest Park erhaschte und mir bewusst wurde, dass wir lediglich in einem weiten, vertrauten Kreis gefahren waren.
Diese erste allein unternommene Reise war eine Enttäuschung, dennoch stellte sie die Weichen für mich. Ich war eine Reisende, und damit war die Sache erledigt. Mit sechsundzwanzig Jahren hatte ich bereits den größten Teil Europas gesehen, war nackt in drei Ozeanen geschwommen und hatte Diplomaten und Bolschewiken die Hand geschüttelt. Das College langweilte mich rasch, also gab ich es auf und beschritt meinen eigenen Weg. Es schien mir unerlässlich, nicht nur in Bewegung zu bleiben und Dinge zu empfinden, sondern auch, auf eigenen Beinen zu stehen, mein eigenes Leben zu leben und nicht das von irgendjemand anderem.
In jenem Januar 1936 rief mich jedoch meine Mutter zurück nach St. Louis, mit einem Telegramm, in dem stand, mein Vater sei krank. Ich fuhr mit dem Zug dorthin und zerriss unterwegs vor Nervosität das Telegramm in meiner Manteltasche. Seit ich denken konnte, war meine Mutter stets darauf bedacht gewesen, dass niemand ihr jemals eine Sorge anmerkte. Doch selbst in den wenigen hastigen Worten des Telegramms waren ihre Anspannung und ihre Angst spürbar geworden, und ich wusste nicht, in welcher Verfassung ich sie oder meinen Vater vorfinden würde, wusste nicht, ob ich bereit war, meinem Vater gegenüberzutreten, sollte er krank und schwach sein. Mich der Realität zu stellen.
Meine Mutter Edna war stets der Polarstern an meinem Himmel gewesen, und sie war liebenswürdiger als jeder andere Mensch auf der Welt. Sie war herzlich und intelligent und durch und durch gut, und auch wenn sie ihr Leben dem unermüdlichen Kampf für die Frauenrechte gewidmet hatte und jederzeit bereit war, sich für Dinge und Menschen und Ziele einzusetzen, hatten all die Kampagnen und Märsche und öffentlichen Reden sie doch niemals davon abgehalten, eine Mutter zu sein oder eine Ehefrau. Jeden Abend ließ sie alles stehen und liegen, womit sie sich gerade beschäftigt hatte, sobald sie den Schlüssel meines Vaters im Türschloss hörte. Dann eilte sie die Treppe hinunter, um ihn rechtzeitig in Empfang zu nehmen, wenn er hereintrat, seinen grauen Filzhut auf den hölzernen Ständer warf und sie küsste.
Dieses abendliche Ritual war eine zärtliche Geste zwischen ihnen und ihre älteste Gewohnheit. Es schien jedoch zugleich auch ein festgeschriebenes Versprechen für die Zukunft zu sein. Ein Versprechen vollkommener Verlässlichkeit, so weit man voraussehen konnte. Ein Versprechen aller noch folgender Küsse. Ich erinnere mich, dass es mir als Kind so vorkam, als würde es meine Mutter überhaupt keine Mühe kosten, jeden Abend pünktlich vor der Tür zu stehen. Ganz offensichtlich war die Zeit ihre heimliche Verbündete in diesem Arrangement: Sie verlangsamte sich, damit meine Mutter jeden Tag genau dort sein konnte, wann immer die Tür aufschwang. Aber natürlich irrte ich mich. Es kostete sie gewaltige Mühe und auch Willenskraft. Eine Entscheidung und Entschlossenheit. Andere Dinge gerieten ins Wanken, damit sie dort unten an der Treppe sein konnte. Sie gerieten ins Wanken, auch wenn ich niemals sah oder hörte, wie sie fielen.
Mein Vater George Gellhorn war ein berühmter und geachteter Geburtshelfer mit einer geschäftigen Praxis und Lehrtätigkeiten an zwei Krankenhäusern. Mit der Art und Weise, wie er im Leben stand, war er ein leuchtendes, makelloses Vorbild. Als Vater war er eine Säule, ganz so, als wäre er den Seiten eines George-EliotRomans entsprungen. Seine Familie, seine Patientinnen und auch alles andere leitete er mit sanfter Sorgfalt und so präzise wie das Innere eines Schweizer Uhrwerks.
In seinem Arbeitszimmer standen in alphabetischer Reihenfolge Tausende Bücher, die Buchrücken in einer perfekten Reihe. Und er hatte sie alle gelesen. Als ich ein Mädchen war, dachte ich, er wüsste alles, was man überhaupt wissen konnte, und er wüsste auch alles über mich. Vielleicht versuchte ich deshalb immer, ihm zu gefallen und seine Anerkennung zu gewinnen, endlich die Tochter zu sein, die ich voller Verheißungen und Möglichkeiten in seinen Augen aufflackern sah. Vielleicht bestand die größte Schwierigkeit meines Lebens darin, mich mit der Wahrheit abzufinden: Natürlich gab es diese Tochter nicht. Und es konnte sie auch niemals geben.
* * *
Von der St. Louis Union Station aus ließ ich mich mit einem Wagen zur McPherson Avenue bringen, wo ich vor der breiten, glänzenden Tür stehen blieb und mich einen Augenblick lang der Phantasie hingab, wie ich davonlief, statt mich der Sache zu stellen. Als ich das letzte Mal zu Hause gewesen war, hatten mein Vater und ich uns so heftig gestritten, dass ich nicht an seine Worte zurückdenken konnte, ohne zusammenzuzucken. Und nun war er schwer krank, lag womöglich im Sterben.
Die Tür schwang auf, und dahinter stand meine Mutter und blickte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Marty! Komm rein. Du holst dir noch den Tod.«
Als sie mich ins Haus zog und in den Arm nahm, erledigte mich allein schon ihr Geruch. Lavendelwasser und Gesichtspuder und gutes Leinen. Sie hielt jeden einzelnen Augenblick meines Lebens in ihren Händen, die zweiwöchentlichen Tänze und Samstagsfrühstücke, ihr Summen zum laufenden Badewasser oder ihr lautes Rezitieren von Reden, an denen sie im Kopf ständig herumfeilte. Mittagspicknicks allein mit ihr in der Nähe des sprudelnden Wasserfalls im Creve Coeur Park, wo ich betete, sie möge niemals sterben. Und Abende im schwindenden Licht auf unserer Veranda, mit aufgeklappten Büchern auf dem Schoß und an der Fliegengittertür klebenden Motten.
Als ich nun auf demselben purpurroten Teppichstück stand, auf dem ich bereits zahllose Murmelspiele gegen meine Brüder verloren hatte, war es, als hätte sich ein Schleusentor geöffnet. All die Strecken, die ich zurückgelegt hatte, um ich selbst sein zu können, zählten hier nichts, wo sich nicht das Geringste jemals änderte. Weder die Möbel aus Mahagoniholz noch die Kunst oder die Bücher in den Regalen. Weder der Eierschalenglanz an den Wänden noch die Beschaffenheit des Lichts, das durch das Buntglasfenster auf dem Treppenabsatz hereinfiel. Dies war das Licht der Kindheit. Ich war in jedem Alter, das ich jemals durchlebt hatte.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich, als ich mich wieder gefangen hatte.
»Morgen werden wir mehr wissen.« Ihr Gesicht war angespannt und gezeichnet. Es war schwer, sie anzusehen, und genauso schwer, wegzusehen. Sie war nach wie vor eine bildschöne Frau und würde es auch für immer bleiben. Aber ich konnte sehen, wie sich die Sorgen und die schlaflosen Nächte um die kornblumenblauen Augen und entlang der Kieferpartie eingegraben hatten. Silberne Strähnen ihres Haars hatten sich aus dem Knoten gelöst, den sie stets trug, und ihre marineblaue Hemdbluse war unter ihrer Perlenkette zerknittert.
Ich wollte nicht fragen, ob die Ärzte Krebs erwähnt hatten, und konnte es aus irgendeinem Grund auch nicht. Das Wort war mir auf dem gesamten Weg von Connecticut hierher nicht aus dem Sinn gegangen, doch ich hielt es einfach in mir verborgen, bleischwer und rasiermesserscharf, während ich ihr stumm in das Zimmer folgte, in dem er ruhte. Den langen Flur hinunter, vorbei an dem Sekretär und dem runden Spiegel, dem schweren Kronleuchter. Jeder dieser altbekannten Gegenstände war stabil, einem Anker gleich, und genau dort, wo er sein sollte. Schräg unter der Treppe stand der Flügel, auf dem verzierten Notenständer lagen die aufgeschlagenen Seiten aus einer von Chopins Nocturnes, obwohl diese seit Jahren von niemandem mehr gespielt worden war, nicht seit mein jüngster Bruder angefangen hatte, in Virginia Medizin zu studieren.
»Kommt Alfred auch?«, fragte ich.
»Ende der Woche, wenn er sich freinehmen kann. Bei ihm haben die Vorlesungen gerade erst wieder begonnen.«
Ich wartete darauf, dass sie George und Walter erwähnte, meine zwei älteren Brüder. Sie lebten beide im Osten, waren verheiratet und hatten kleine Kinder. Sollten sie ebenfalls kommen, dann wäre es wirklich so schlimm, wie ich befürchtete. Aber sie ging einfach weiter.
Oben waren die Kinderzimmer meiner Brüder längst in Gästezimmer umgewandelt worden, während meines im zweiten Stock unter dem Dachvorsprung wie eine Zeitkapsel bewahrt worden war. Ich freute mich darauf, mich später dorthin flüchten zu können, aber nun stand ich vor ihm, meinem Vater, der dünner war, als ich ihn jemals gesehen hatte, sein Teint schien vor dem gelben Leinen beinahe grau. Er lag auf ein Kissen gestützt, die Augen geschlossen. Aber er schlief nicht.
Im Telegramm hatte gestanden, er habe schreckliche Magenschmerzen und seine Ärzte wollten ihn operieren. Später würde ich erfahren, dass er jahrelang Dinge vor uns verheimlicht hatte, dass er mit aller Kraft versucht hatte, seine Symptome und seine Schmerzen vor allen zu verbergen, sogar vor meiner Mutter, da er davon ausgegangen war, er werde sterben. Währender geschwiegen hatte, war sein Zustand ernst geworden.
»Marty ist hier«, rief nun die Stimme meiner Mutter.
Er schlug die Augen auf, und seine Lippen spannten sich über einem Lächeln. »Martha.«
Ich fühlte mich plötzlich ganz klein und so, als wäre ich gleich zweifach vorhanden, einmal als das Mädchen, das ich war, und einmal als das Mädchen, das er stattdessen gern gehabt hätte. Beide liebten ihn, hatten es jedoch niemals aussprechen können. Denn da war auch Wut, Seite an Seite mit den liebevollen Gefühlen, dem Wunsch, ihn zu verletzen, und dem Wunsch, ihn für immer an mich zu ziehen.
Meine Mutter schob mich nach vorn, auf den Stuhl, der neben sein Bett gestellt worden war, und ging dann hinüber zu einem Platz am Fenster, wo sie ihre Zeitung aufschlug. Ich griff nach seiner Hand, die dünn und von Venen überzogen war, jedoch warm. Wann hatte ich zum letzten Mal die Hand meines Vaters gehalten?
»Ich werde wieder vollkommen gesund«, verkündete er, ehe ich etwas sagen konnte. »Ich habe die allerbesten Ärzte in St. Louis.«
»Ich dachte, du wärst der beste Arzt in St. Louis.«
Der Scherz war etwas steif, aber mein Vater schenkte mir ein Lächeln, ehe er von einem Krampf durchzuckt wurde. Der Krampf ließ nicht nach und verzerrte sein Gesicht, so dass ich wegschauen musste, wohin auch immer. Nachdem der Schmerz sich verzogen hatte, lag er schwer atmend da, nahm einen Schluck Wasser und sagte: »Ich habe dein Buch gelesen. Es ist großartig.«
Es lag auf seinem Nachttisch. Das auf schlichtem Papier abgetippte Manuskript meiner letzten Anstrengung, The Trouble I've Seen. Ich hatte es ihnen kurz vor Weihnachten als Geschenk geschickt, obgleich mir diese Entscheidung nicht leichtgefallen war. Er hatte mein erstes Buch, einen Roman, nicht fertiglesen können, hatte mir das auch gesagt und es als vulgär bezeichnet. Ich hatte während meiner Zeit in Europa zwei Jahre lang daran gearbeitet, dann ganz allein einen Verlag dafür gefunden und sogar einen kleinen Vorschuss bekommen. Aber man hätte meinen können, ich hätte einen Handel auf dem Schwarzmarkt abgeschlossen, so wie er seine Enttäuschung in einem langen, leidenschaftlichen Brief darlegte. Meine Figuren seien unmoralisch und frivol. Er wisse nicht, weshalb ich mich mit ihnen abgegeben hätte, wo ich doch über so viele lohnenswerte Dinge schreiben könne. What Mad Pursuit begleitete drei Collegestudentinnen bei der verzweifelten Suche nach sich selbst. Sie reisen um die Welt und nehmen Männer mit ins Bett und stecken sich mit Syphilis an und stolpern auf jede erdenkliche Weise durchs Leben – all das überzogen von einem schmutzigen Film aus Einsamkeit. Offensichtlich hatte er auf den Seiten meine eigenen Fehltritte erkannt, auch wenn ich ihm nur hatte zeigen wollen, wie gewitzt meine Dialoge waren und wie erschütternd gut ich das Meer beschrieben hatte.
Ich hatte seinen beißenden Brief wieder und wieder gelesen, vor Wut geschäumt und alle möglichen schlimmen Dinge zurückfauchen wollen. Doch unter meinem Zorn war ich bodenlos verletzt gewesen. Irgendwann zerknüllte ich die Seiten und warf sie in den Papierkorb, auch wenn das Problem damit nicht gelöst war. Ich trug all seine Worte noch in mir, in einem versteckten Winkel meines brodelnden Herzens, wo sie tickten und rauchten, als könnten sie jeden Augenblick detonieren.
Dieses neue Buch war vollkommen anders, eine Sammlung von Geschichten über Menschen, die von der Depression schwer getroffen worden waren, und ich war es angegangen, um damit gesellschaftlich etwas zu bewirken.
»Hat es dir wirklich gefallen?«, fragte ich ihn nun, ohne mir einen wehleidigen Tonfall ganz verkneifen zu können.
»Vieles davon ist natürlich traurig. Und ich kann mir vorstellen, dass es schwerer werden dürfte, einen Vertrag dafür zu bekommen, nach den Rezensionen, die du für dein letztes Buch erhalten hast.« Er sagte dies ohne jegliche Böswilligkeit, als spräche er etwa über Eier oder Regen. »Aber vielleicht läuft es ja auch gar nicht so.«
»So läuft es tatsächlich, aber ich werde nicht aufgeben. Ich könnte es nicht ertragen, so lange umsonst gearbeitet zu haben.«
»Natürlich wirst du nicht aufgeben.« Meine Mutter stand auf und trat ans Fußende des Bettes. »Wir Gellhorns geben nicht einfach auf. Im Übrigen finde ich es auch ganz fabelhaft. Du hast diese Figuren wirklich zum Leben erweckt. Sie kamen mir schrecklich real vor.«
»Danke«, hörte ich mich sagen, während ich mit einer Reihe widersprüchlicher Gefühle zu kämpfen hatte. Ich wollte, dass meine Eltern stolz auf mich waren und mich ernst nahmen. Ich wollte auch, dass es mir gänzlich gleichgültig war, dass ich allein mich vervollständigte und nur meine eigene Anerkennung benötigte. Das war jedenfalls meine Messlatte.
»Wir müssen um Punkt sechs im Krankenhaus sein«, erinnerte uns meine Mutter und bot mir dann ihre Hand an. Ich nahm sie und fühlte mich auf einmal so müde wie niemals zuvor. »Lass deinen Vater nun ausruhen.«
CHAPTER 2
Am nächsten Tag brachten meine Mutter und ich meinen Vater vor dem Morgengrauen nach unten, setzten ihn ins Auto und wickelten ihm Decken um die Beine, als wäre das Wetter das Problem und nicht das, was auch immer ihn tief aus seinem Inneren heraus zerfraß. Es begann zu schneien.
Im Barnes Hospital wurde er aufgenommen und rasch durch aufschwingende Holztüren davongeschoben. Wir tranken in der Cafeteria einen scheußlichen Kaffee und warteten danach in einem kahlen Besucherzimmer. Draußen wurde der Schneesturm heftiger und bedeckte alles mit einer lautlosen weißen Schicht. Nur so schien sich die Zeit messen zu lassen, indem man zusah, wie die Schneeverwehungen auf den Fensterbänken und den Dächern der Autos auf dem Parkplatz vier Stockwerke unter uns höher und höher wurden und dabei immer mehr aussahen wie Zuckerhaufen.
»Er wird es gut überstehen«, versicherten wir uns gegenseitig in regelmäßigen Abständen.
»Das wird er.«
Die Worte waren ein Talisman, an dem wir immer weiter flochten, wir wiederholten sie ohne Variation, bis sie die Glieder einer Kette der Hoffnung oder des Glaubens waren oder von irgendetwas dazwischen.
Und dann kam am späten Nachmittag einer der Chirurgen mit seiner Haube in der Hand auf uns zu, und ich hatte das Gefühl, ich würde lieber tot umfallen, als zu hören, was er zu sagen hatte. Ich ertrug kaum den Anblick seines Mundes beim Sprechen. Doch dann folgte die Überraschung. Es waren gute Neuigkeiten.
Es war tatsächlich Krebs gewesen, aber der Tumor hatte sich leicht und vollständig entfernen lassen und schien nirgendwo anders gestreut zu haben. Sie würden meinen Vater im Krankenhaus behalten, bis er zu Kräften gekommen sei, aber wir hätten allen Grund, hoffnungsvoll zu sein.
»Oh, Gott sei Dank«, rief meine Mutter, und wir umarmten uns. Ich spürte sie erzittern, während wir beide unter Tränen lachten, und mein Herz wurde mit einem Mal ganz leicht. Die weiße Taube eines Zauberers war freigelassen worden.
* * *
Später, nachdem wir ihn gesehen und uns selbst davon überzeugt hatten, dass wirklich alles gut werden würde, fuhren wir auf dem Nachhauseweg einen meilenweiten Umweg, um bei der deutschen Bäckerei am Soulard Market anzuhalten und Mohnkuchen zu kaufen. In unserer Küche erwärmte meine Mutter dann Milch in einem Topf, und es fühlte sich an, als wäre wieder Weihnachten, nur mit einem besseren Geschenk. Die Milch wurde in schwere Becher gegossen, und ich genoss die Hitze zwischen meinen Händen, während sie mich fragte, wie es mir ergangen war. Nun, da so viel Sorge und Druck von uns abgefallen war, konnten wir uns endlich ganz natürlich unterhalten.
(Continues…)
Excerpted from "Hemingway und ich"
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