Arrowood - In den Gassen von London: Kriminalroman für Sherlock Holmes Fans

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Overview

Die High Society hat Holmes - alle anderen gehen zu Arrowood

Privatdetektiv William Arrowood ist ein Mann vieler Talente – und einiger Laster. Die Tagelöhner und Straßenmädchen im armen South London können sich keinen besseren Detektiv leisten und kommen daher mit allen Anliegen zu ihm. Voller Verachtung und Neid blickt er über die Themse auf seinen bekannten Kollegen Sherlock Holmes und dessen betuchte Klientel.
Auch Arrowoods neuester Fall scheint nicht geeignet zu sein, ihn berühmt zu machen: Eine junge Französin bittet darum, ihren verschwundenen Bruder aufzuspüren. Doch hinter dem simplen Auftrag verbergen sich weit mehr Geheimnisse und Leichen, als Arrowood für möglich hielt. Und so führen ihn seine Ermittlungen von den Tiefen der Londoner Unterwelt bis in höchste Regierungskreise …

  • »William Arrowood ist keinesfalls perfekt, aber sympathisch, und die Geschichte bewegt sich rasant von Gefahr zu Gefahr und Twist zu Twist.« The Times
  • »Mick Finlay gelingt mit dem Start seiner “Arrowood“-Serie eine Mischung aus Spannung, Komik und historischen Hintergründen.« WDR 4

Product Details

ISBN-13: 9783959677479
Publisher: HarperCollins Publishers
Publication date: 08/01/2018
Series: Arrowood , #1
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 432
File size: 1 MB
Language: German

About the Author

Mick Finlay wurde in Glasgow geboren und verbrachte seine Kindheit in Kanada und England. Er arbeitete als Marktverkäufer in der Portobello Road, in einem Wanderzirkus, als Schlachtergehilfe, als Portier und in verschiedenen Positionen im Gesundheits- und Sozialdienst. Mittlerweile lehrt er an einer psychologischen Fakultät und lebt mit seiner Familie in Brighton.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Süd-London, 1895

Schon als ich an jenem Morgen hereinkam, konnte ich erkennen, dass Mr. Arrowood wieder einen seiner Anfälle hatte. Sein Gesicht war fahl, seine Augen sahen verquollen aus, sein Haar, jedenfalls das, was auf seinem vernarbten unförmigen Schädel noch übrig war, stand an einem Ohr ab, während es am anderen mit Pomade angeklebt worden war. Er gab wahrlich einen grässlichen Anblick ab. Ich blieb in der Tür stehen, nicht dass er erneut den Wasserkessel nach mir warf. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich den Geruch des Gins von letzter Nacht an ihm riechen.

»Der vermaledeite Sherlock Holmes!«, brüllte er und schlug mit einer Faust auf den Beistelltisch. »Wo ich auch hinsehe, überall spricht man über diesen Scharlatan!«

»Verstehe, Sir«, erwiderte ich so demütig wie möglich. Mein Blick folgte seinen Händen, die er mal hierhin, mal dorthin bewegte, da ich wusste, dass sie jederzeit nach einer Tasse, einem Stift oder einem Stück Kohle greifen und mir an den Kopf werfen konnten.

»Würde man uns diese Fälle übertragen, dann lebten wir in Belgravia, Barnett«, erklärte er mit derart rotem Gesicht, dass ich schon befürchtete, er würde gleich platzen. »Dann wären wir Dauergast in einer Suite im Savoy!«

Er ließ sich in seinen Stuhl fallen, als wäre er auf einmal völlig ausgelaugt. Ich hatte auf dem Tisch neben seinem Arm längst den Grund für seinen Wutausbruch erspäht: Dort lag das The Strand-Magazin, in dem Dr. Watson seine neuesten Abenteuer schilderte. Aus Furcht davor, er könnte meinen Blick bemerkt haben, wandte ich meine Aufmerksamkeit dem Feuer zu.

»Ich setze den Teekessel auf«, sagte ich. »Haben wir heute Termine?«

Er nickte und schwenkte resigniert einen Arm durch die Luft, während er die Augen schloss.

»Gegen Mittag kommt eine Dame vorbei.«

»In Ordnung, Sir.«

Er rieb sich die Schläfen.

»Bringen Sie mir das Laudanum, Barnett. Und beeilen Sie sich.«

Ich nahm einen bereitstehenden Krug aus dem Regal und spritzte ihm etwas auf den Schädel. Er stöhnte auf und scheuchte mich weg, als hätte ich ein Furunkel aufgestochen.

»Ich bin unpässlich«, jammerte er. »Richten Sie ihr aus, dass ich sie nicht empfangen kann. Sie soll morgen wiederkommen.«

»William«, erwiderte ich und räumte die Teller und Zeitungen vom Tisch. »Wir hatten seit fünf Wochen keinen Fall mehr. Ich muss meine Miete bezahlen. Wenn ich nicht bald Geld nach Hause bringe, bleibt mir nichts anderes übrig, als für Sidney Droschke zu fahren, und Sie wissen ganz genau, dass ich Pferde nicht leiden kann.«

»Sie sind ein Schwächling, Barnett«, stieß er stöhnend aus und sackte auf seinem Stuhl noch weiter in sich zusammen.

»Ich werde hier aufräumen, Sir. Und dann empfangen wir sie heute Mittag.« Er sagte nichts mehr dazu.

Um Punkt zwölf klopfte Albert an die Tür.

»Hier ist eine Dame für Sie«, meldete er in seiner wie immer sorgenvollen Art.

Ich folgte ihm durch den dunklen Korridor in das Puddinggeschäft vor unseren Räumen. Am Tresen stand eine junge Frau mit einer Haube und weitem Rock. Sie hatte den Teint einer reichen Frau, doch ihre Bündchen waren zerfranst und braun, und die Schönheit ihres Gesichts wurde von einem abgebrochenen Schneidezahn gemindert. Sie schenkte mir ein kurzes, gequältes Lächeln und ließ sich von mir nach hinten geleiten.

Er wurde sofort schwach, als sie durch die Tür kam, blinzelte mehrmals schnell, sprang auf und verbeugte sich, während er ihre kraftlos dargebotene Hand nahm.

»Madam.«

Dann bat er sie, auf dem besten Stuhl Platz zu nehmen, der sauber war und neben dem Fenster stand, sodass man ihre ansehnliche Gestalt bewundern konnte. Sie schien die an den Wänden gestapelten alten Zeitungen, die sich stellenweise mannshoch auftürmten, alsbald zu bemerken.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Es geht um meinen Bruder, Mr. Arrowood«, sagte sie. Ihr Akzent ließ erkennen, dass sie vom Kontinent stammte. »Er ist verschwunden, und man hat mir gesagt, Sie könnten ihn finden.«

»Sind Sie Französin, Mademoiselle?«, erkundigte er sich und stellte sich mit dem Rücken zum Kohlefeuer.

»Das bin ich.«

Als er mir einen Blick zuwarf, bemerkte ich, dass es an seinen fleischigen, geröteten Schläfen pulsierte. Das war kein guter Anfang. Man hatte uns vor zwei Jahren in Dieppe eingekerkert, als der dortige Magistrat der Ansicht gewesen war, wir würden zu viele Fragen über seinen Schwager stellen. Nach sieben Tagen bei Wasser und kalter Brühe war von seiner Bewunderung für dieses Land nichts mehr übrig geblieben, und die ganze Sache war dadurch noch schlimmer geworden, dass uns der Klient die Bezahlung verweigert hatte. Seitdem hegte Mr. Arrowood einen Argwohn gegen alle Franzosen.

»Mr. Arrowood und ich sind beide große Bewunderer Ihrer Landsleute«, warf ich ein, bevor er die Gelegenheit bekommen konnte, sie vor den Kopf zu stoßen.

Er warf mir einen finsteren Blick zu. »Wo haben Sie von mir gehört?«

»Ein Freund hat Ihren Namen fallen gelassen. Sie sind Privatdetektiv, richtig?«

»Der beste in London«, bestätigte ich und hoffte, ihn mit dem Lob ein wenig besänftigen zu können.

»Oh«, erwiderte sie. »Ich dachte, Sherlock Holmes ...«

Mir entging nicht, wie Mr. Arrowood sich verkrampfte.

»Es heißt, er wäre ein Genie«, fuhr sie fort. »Der beste Detektiv der Welt.«

»Dann sollten Sie vielleicht besser ihn aufsuchen, Mademoiselle«, fauchte Mr. Arrowood.

»Das kann ich mir nicht leisten.«

»Dann bin ich also der zweitbeste?«

»Ich wollte Sie nicht beleidigen, Sir«, murmelte sie, da sie die Entrüstung in seiner Stimme sehr wohl bemerkte.

»Verraten Sie mir eins, Miss ...«

»Cousture. Miss Caroline Cousture.«

»Das Äußere kann trügen, Miss Cousture. Holmes ist berühmt, weil sein Assistent Geschichten schreibt und verkauft. Er ist ein Detektiv mit einem eigenen Chronisten. Aber was ist mit den Fällen, von denen wir nie erfahren? Jenen, die nicht für die Öffentlichkeit aufbereitet werden? Was ist mit den Fällen, bei denen Menschen aufgrund seiner tölpelhaften Fehler getötet werden?«

»Getötet?«, wiederholte sie fassungslos.

»Ist Ihnen der Openshaw-Fall bekannt, Miss Cousture?«

Die Frau schüttelte den Kopf.

»Der Fall der fünf Kerne?«

Erneutes Kopfschütteln.

»Ein junger Mann wurde von dem großen Detektiv in den Tod geschickt. Auf der Waterloo Bridge. Und das war nicht sein einziges Opfer. Sie haben doch gewiss vom Fall der tanzenden Männer gehört? Darüber haben sogar die Zeitungen berichtet.«

»Nein, Sir.«

»Mr. Hilton Cubitt?«

»Ich lese keine Zeitungen.«

»Erschossen. Er wurde erschossen, und seine Frau kam auch beinahe ums Leben. Nein, nein, Holmes ist alles andere als perfekt. Wussten Sie, dass er über private Mittel verfügt, Miss? Tja, ich habe gehört, er lehnt ebenso viele Fälle ab, wie er annimmt. Wie kommt es, dass ein Detektiv so viele Fälle ablehnt, frage ich mich? Und bitte glauben Sie jetzt nicht, ich wäre eifersüchtig auf ihn, denn das bin ich nicht. Ich bemitleide ihn. Warum? Weil er mit deduktiven Methoden arbeitet. Er nimmt kleine Hinweise und plustert sie auf. Oftmals irrt er sich dabei, wenn Sie mich fragen. So.« Er warf die Hände in die Luft. »Ich habe es gesagt. Natürlich ist er berühmt, aber ich muss leider hinzufügen, dass er die Menschen nicht versteht. Bei Holmes geht es immer nur um Hinweise: Markierungen am Boden, ein zufälliger Ascherest auf dem Tisch, eine bestimmte Lehmart am Boot. Aber was ist mit den Fällen, bei denen es keine Hinweise gibt? So etwas kommt häufiger vor, als Sie denken, Miss Cousture. Dann geht es nämlich um die Menschen. Es geht um Menschenkenntnis.« Bei diesen Worten deutete er auf das Regal, in dem sich seine kleine Büchersammlung über die Psychologie und den Geist befand. »Ich arbeite mit Emotionen, nicht mit Deduktionen. Und warum? Weil ich die Menschen wahrnehme. Ich blicke ihnen in die Seele. Ich kann die Wahrheit mit der Nase erschnüffeln.«

Er starrte sie die ganze Zeit über an, und mir fiel auf, dass sie errötete und zu Boden blickte.

»Und manchmal ist der Geruch derart intensiv, dass er sich wie ein Wurm in mich hineinbohrt«, fuhr er fort. »Ich durchschaue die Menschen. Ich kenne sie so gut, dass es mich quält. So löse ich meine Fälle. Mein Abbild findet sich zwar nicht in der Daily News, und ich habe auch keine Haushälterin, keine Zimmer in der Baker Street und keinen Bruder, der für die Regierung arbeitet, aber sollte ich mich entscheiden, Ihren Fall zu übernehmen – und das kann ich Ihnen erst garantieren, wenn ich Sie angehört habe –, sollte ich ihn also übernehmen, dann werden Sie weder an mir noch an meinem Assistenten etwas auszusetzen haben.«

Ich betrachtete ihn voller Bewunderung; wenn Mr. Arrowood erst einmal in Fahrt war, konnte er wahrlich beeindrucken. Und seine Worte entsprachen der Wahrheit: Seine Gefühle waren sowohl seine Stärke als auch seine Schwäche. Aus diesem Grund brauchte er mich dringender, als ihm selbst manchmal bewusst war.

»Bitte entschuldigen Sie«, sagte Miss Cousture. »Ich wollte Sie nicht beleidigen. Mit der Arbeit von Detektiven kenne ich mich nicht aus. Ich weiß nur, dass Mr. Holmes in aller Munde ist. Bitte vergeben Sie mir, Sir.«

Er nickte und ließ sich dann schnaufend wieder in seinem Sessel am Feuer nieder.

»Erzählen Sie uns alles. Lassen Sie nichts aus. Wer ist Ihr Bruder, und warum müssen Sie ihn finden?«

Sie verschränkte die Hände im Schoß und sammelte sich kurz.

»Wir stammen aus Rouen, Sir. Ich bin erst vor zwei Jahren aufgrund meiner Arbeit hierhergezogen. Ich bin Photographin. In Frankreich dürfen Frauen diesen Beruf nicht ausüben, daher hat mir mein Onkel geholfen, hier in der Great Dover Street eine Anstellung zu bekommen. Er ist Kunsthändler. Mein Bruder Thierry arbeitete zu Hause für eine Patisserie, hat jedoch Probleme bekommen.«

»Probleme?«, hakte Mr. Arrowood nach. »Was für Probleme?«

Sie zögerte.

»Wenn Sie mir nicht alles erzählen, dann kann ich Ihnen nicht helfen.«

»Sie haben ihn beschuldigt, etwas aus dem Laden gestohlen zu haben«, gab sie zu.

»Und, hat er das getan?«

»Ich glaube schon.«

Sie sah ihn schüchtern an, bevor sie mir einen Blick zuwarf. Obwohl ich seit über fünfzehn Jahren mit der vernünftigsten Frau in ganz Walworth verheiratet war, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass dieser Blick etwas in mir hervorrief, was ich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr gespürt hatte. Diese junge Frau mit ihrem mandelförmigen Gesicht und dem abgesplitterten Schneidezahn war eine natürliche Schönheit.

»Fahren Sie fort«, bat er sie.

»Er musste Rouen sehr schnell verlassen, daher ist er mir nach London gefolgt. Hier fand er eine Stelle in einem Speisehaus. Vor vier Nächten kam er plötzlich völlig verängstigt von der Arbeit. Er hat mich um Geld gebeten, damit er nach Frankreich zurückkehren könne. Warum er von hier fortwollte, hat er mir nicht verraten, aber ich habe ihn nie zuvor derart verstört gesehen.« Sie hielt kurz inne, um Atem zu holen, und tupfte sich die Augen mit der Ecke eines vergilbten Taschentuchs ab. »Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht zulassen kann. Er darf nicht nach Rouen zurückkehren. Wenn er das tut, bekommt er große Schwierigkeiten, und das möchte ich nicht.«

Sie zögerte erneut, und eine Träne funkelte in ihrem rechten Auge.

»Möglicherweise wollte ich aber auch nur, dass er hier bei mir in London bleibt. Für eine Fremde ist dies eine einsame Stadt, Sir, und für eine Frau noch dazu eine gefährliche.«

»Bitte beruhigen Sie sich, Mademoiselle«, sagte mein Arbeitgeber freundlich. Er beugte sich auf seinem Sessel vor, sodass ihm sein Bauch auf den Knien hing.

»Er ist hinausgestürzt, und seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. Bei der Arbeit ist er auch nicht gesehen worden.« Nun kamen ihr wirklich die Tränen. »Wo schläft er nur?«

»Aber, aber, meine Liebe«, versuchte Mr. Arrowood sie zu beruhigen. »Sie brauchen uns doch gar nicht. Zweifellos versteckt sich Ihr Bruder nur. Er wird Sie schon wieder aufsuchen, wenn er es für sicher hält.«

Sie hielt sich das Taschentuch vor die Augen, bis sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte, und putzte sich dann die Nase.

»Ich kann Sie bezahlen, falls Sie deswegen besorgt sein sollten«, sagte sie schließlich, zog einen kleinen Geldbeutel aus der Manteltasche und holte eine Handvoll Guineen heraus. »Sehen Sie.«

»Stecken Sie das Geld bitte weg, Miss. Wenn er solche Angst hatte, ist er vermutlich nach Frankreich zurückgekehrt.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nein, Sir, er ist nicht in Frankreich. Am Tag, nachdem ich ihm seine Bitte abgeschlagen hatte, kam ich von der Arbeit nach Hause und musste feststellen, dass meine Uhr verschwunden ist, ebenso wie meine Zweitschuhe und ein Kleid, das ich erst letzten Winter gekauft hatte. Meine Vermieterin erzählte mir, dass er nachmittags in meinem Zimmer gewesen sei.«

»Da haben wir es doch! Er hat all das verkauft, um die Überfahrt bezahlen zu können.«

»Nein, Sir. Seine Papiere und seine Kleidung sind noch da. Wie will er denn ohne Papiere in Frankreich einreisen? Ihm muss etwas zugestoßen sein.« Während sie sprach, ließ sie die Münzen wieder in den Geldbeutel fallen und holte einige Scheine heraus. »Bitte, Mr. Arrowood. Er ist alles, was mir noch geblieben ist. Es gibt niemanden, an den ich mich sonst wenden könnte.«

Mr. Arrowood sah zu, wie sie zwei Fünf-Pfund-Scheine auseinanderfaltete. Es war einige Zeit her, dass wir hier Banknoten gesehen hatten.

»Warum gehen Sie nicht zur Polizei?«, wollte er wissen.

»Dort wird man mir genau dasselbe sagen. Ich flehe Sie an, Mr. Arrowood.«

»Miss Cousture, ich könnte Ihr Geld nehmen, wie es vermutlich viele Privatdetektive hier in London ohne zu zögern tun würden. Aber es gehört zu meinen Prinzipien, dass ich kein Geld annehme, wenn ich nicht glaube, dass es einen Fall gibt, und erst recht nicht von einer Person mit begrenzten Mitteln. Ich möchte Sie nicht beleidigen, aber ich gehe davon aus, dass Sie sich dieses Geld entweder mühsam zusammengespart oder von jemandem geborgt haben. Ihr Bruder hält sich bestimmt nur irgendwo bei einer Frau auf. Warten Sie noch ein paar Tage. Wenn er dann noch immer nicht zurückgekehrt ist, suchen Sie uns noch einmal auf, einverstanden?«

Ihre blassen Wangen wurden rot. Sie stand auf, trat vor das Kamingitter und hielt die Banknoten über die glühenden Kohlen. »Wenn Sie meinen Fall nicht übernehmen, werfe ich das Geld ins Feuer«, drohte sie entschlossen.

»Seien Sie doch vernünftig, Miss«, beschwichtigte Mr. Arrowood sie.

»Das Geld bedeutet mir nichts. Und ich vermute, dass es Ihnen in Ihren Taschen lieber wäre als im Feuer, oder irre ich mich?«

Mr. Arrowood stöhnte und wandte den Blick nicht von den Geldscheinen ab. Er rutschte in seinem Sessel weiter nach vorn.

»Ich werde es tun!«, drohte sie verzweifelt und ließ die Hand ein Stück sinken.

»Halt!«, rief er, als er es nicht mehr länger ertragen konnte.

»Übernehmen Sie meinen Fall?«

Er seufzte. »Ja, ja. Ich schätze schon.«

»Und Sie werden meinen Namen geheim halten?«

»Wenn Sie das wünschen.«

»Wir verlangen zwanzig Schillinge pro Tag, Miss Cousture«, schaltete ich mich ein. »Bei Fällen mit vermissten Personen bekommen wir das Geld für fünf Tage im Voraus.«

Mr. Arrowood wandte sich ab und stopfte seine Pfeife. Obwohl er im Allgemeinen unter Geldmangel litt, war es ihm doch stets unangenehm, welches anzunehmen; jemand von seinem Stand gab eben ungern zu, darauf angewiesen zu sein.

Sobald das Geschäftliche erledigt war, drehte er sich wieder zu uns um.

»Nun brauchen wir noch die Details«, teilte er ihr schmauchend mit. »Sein Alter, sein Aussehen. Haben Sie eine Photographie?«

»Er ist dreiundzwanzig. Nicht so groß gewachsen wie Sie, Sir.« Sie sah mich an. »Eher irgendwo in der Mitte zwischen Ihnen und Mr. Arrowood. Sein Haar ist weizenblond, und er hat ein längliches Brandmal seitlich am Ohr. Ich habe leider keine Photographie, aber Sie werden in London nicht viele Personen mit unserem Akzent finden.«

»Wo hat er gearbeitet?«

»Im Barrel of Beef, Sir.«

Mir wurde mit einem Mal ganz anders, und die warme Fünf-Pfund-Note in meiner Hand fühlte sich jetzt eiskalt an. Mr. Arrowood hatte die Hand mit der rauchenden Pfeife sinken lassen. Er starrte ins Feuer, schüttelte den Kopf und sagte nichts mehr.

Miss Cousture runzelte die Stirn.

»Habe ich etwas Falsches gesagt, Sir?«

Ich reichte ihr den Geldschein.

»Nehmen Sie ihn zurück, Miss«, verlangte ich. »Wir können den Fall nicht übernehmen.«

»Aber warum nicht? Wir hatten uns doch geeinigt.«

Ich warf Mr. Arrowood einen Blick zu und wartete darauf, dass er antwortete. Stattdessen drang nur ein tiefes Knurren über seine Lippen. Er nahm den Schürhaken und stocherte damit in den glühenden Kohlen herum. Während ich Miss Cousture das Geld reichte, blickte sie zwischen ihm und mir hin und her.

(Continues…)


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