Überall ist Lönneberga: Ein Deutscher unter Schweden

Überall ist Lönneberga: Ein Deutscher unter Schweden

by Christoph Borchelt
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eBook

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Overview

Willkommen im einzigen Land der Erde, wo Golf Breitensport ist und der Satz "Ich will Ihren Chef sprechen" nur Gelächter hervorruft
Der Schwede tritt zumeist als multifunktionaler Profi auf: Er trägt Dienstuniform, Overalls mit 20 Taschen sowie kiloschwere Ohrenschützer und ist jederzeit über drei Handys erreichbar. Den Rasen mäht er hingebungsvoll. Er singt laut und oft, vor allem, wenn er Manager ist. Das Allemansrätt – das ungeschriebene Gewohnheitsrecht, (fast) überall kurzfristig Quartier aufschlagen zu dürfen – hat ihn tief geprägt: Im Traum nicht käme der Schwede auf die Idee, seine Ferien auf nur einem Campingplatz abzusitzen. Er koppelt seinen Wohnwagen auch nicht ab, sondern fährt damit Brötchen holen. Sein Ordnungs- und Freiheitssinn sind gleichermaßen ausgeprägt. Kein Wunder: Das Land, das er bewohnt, definiert sich seit 1928 als großes "Folkshemmet" – als "Heim, in dem Gleichberechtigung, Zusammenarbeit und Hilfsbereitschaft herrschen".

Die Schweden duzen sich, reduzieren die Grußformeln auf drei Buchstaben und reden sich grundsätzlich nur mit Vornamen an. Obwohl sie feiern, lieben oder streiten wie andere Erdenbürger auch, ist ihnen der Begriff "Privatleben" weitgehend unbekannt, liegen doch die Steuerverzeichnisse sämtlicher Bürger einsehbar in jeder Polizeiwache. Gewohnt, ihren Schnaps nur beim Staat zu kaufen, sind die Schweden offen für vielerlei Schnapsideen – um die meisten beneiden wir sie mit gutem Grund. Christoph Borchelt, von Jugend an mit dieser Welt vertraut, porträtiert sie uns augenzwinkernd und informativ, kritisch und liebevoll.


Product Details

ISBN-13: 9783641047047
Publisher: Karl Blessing Verlag
Publication date: 07/28/2010
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 312
File size: 466 KB
Language: German

About the Author

Christoph Borchelt, 1958 in Osnabrück geboren, studierte Wirtschaftsgeschichte und Englisch an der TU Berlin und arbeitete nach dem Fall der Mauer als Wirtschaftsjournalist und als Pressesprecher von Wirtschaftsverbänden in Berlin und Brandenburg. Jahrelang beriet er schwedische Unternehmen in Deutschland. Christoph Borchelt lebt mit seiner Frau und zwei Söhnen in Berlin-Spandau – und auf der schwedischen Insel Öland.

Read an Excerpt

Prolog: Warum eigentlich Schweden?
Vor rund zwanzig Jahren erwarben meine Schwiegereltern ein Haus auf der schwedischen Insel Öland. Keine Hütte im Wald, sondern ein richtiges Haus, mitten im Dorf. Öland ist eine etwa 130 Kilometer lange und nur drei bis zehn Kilometer breite Insel vor der südschwedischen Ostseeküste, einst die kleinste schwedische Provinz, jahrhundertelang von Schweden, Dänen und Holländern heftig umkämpft. Öland ist heute Teil des Verwaltungsbezirks Kalmar und seit 1972 durch eine sechs Kilometer lange Brücke - die Ölandsbro war bis 1998 sogar die längste Brücke Europas - mit dem Festland verbunden. Ausländer dürfen auf schwedischen Inseln eigentlich keinen Grund und Boden als Eigentum erwerben, unsere Nachbarn im Norden haben eine durchaus berechtigte Angst vor brunpapperhus, vor Häusern also, deren Fenster elf Monate im Jahr mit braunem Packpapier verschlagen sind, weil die Inselbewohner sie an Touristen verkauft haben. Durch die langjährige Bekanntschaft meiner Schwiegereltern mit Herbert Wehner und seiner Frau - die nach Wehners Internierung in Schweden während des Zweiten Weltkriegs später ein Haus auf Öland erworben hatten - und vor allem durch die Zustimmung der Nachbarn ließ sich der Verwaltungschef von Kalmar län (Kreis) damals dazu bewegen, den Kauf zu genehmigen. Unter der Bedingung, dass das mitten im Dörfchen, dicht neben der Kirche gelegene Haus nicht leer stünde.
Seither sind meine Frau und ich Jahr für Jahr in Schweden, inzwischen mit unseren beiden Söhnen, wochenlang, oft mehrmals im Jahr. Es fiel mir leicht, Wurzeln zu schlagen: Wir hatten sehr schnell das Gefühl, dazuzugehören. Die einstige Ausnahmeregelung hatte für zahlreiche Kontakte gesorgt, aus denen allmählich gute, tiefe Freundschaften wurden: »Mama, tysken!« - der Deutsche! So rief die kleine Tochter unserer schwedischen Freunde ihren Eltern zu, wenn ich mal wieder auftauchte. Und so lernt man Schwedisch.
Schwedisch ist eine sehr schöne, weiche und geschmeidige Sprache, die geschrieben viel nordischer aussieht, als sie sich gesprochen anhört. Schwedisch zu sprechen war meine Eintrittskarte in den exklusiven Club der Skandinavier. Wer eine der nordischen Sprachen spricht, kann - mit Ausnahme des zur uralischen Sprachfamilie gehörenden Finnischen - alle skandinavischen Sprachen leidlich verstehen und sich verständlich machen. Was ich erst spät herausfand, war, dass das Schwedische trotz der in deutschen Augen sehr kleinen Sprachgemeinschaft neben der Hochsprache, dem rikssvensk (Reichsschwedisch), noch einige ausgeprägte regionale Dialekte umfasst. Das Öländische, eine insulare Variante des für Stockholmer bereits schwer verständlichen, bäuerlich-smaländischen Idioms, ist einer dieser Dialekte. Wenn ich in Stockholm bin, fühle ich mich ungefähr so wie ein Schwabe in Berlin: irgendwie fremd. Als ich in Jönköping zum ersten Mal vor einer Gruppe schwedischer Unternehmer einen Vortrag hielt und diesen auf Schwedisch einleitete, lachten alle im Saal schon nach den ersten paar Worten los. In den Ohren der Manager hörte ich mich ungefähr so an wie ein Bauer aus der tiefsten schwedischen Provinz. Dennoch: Es ist immer wieder wunderbar zu erleben, wie ausgesprochen herzlich und erfreut unsere Nachbarn im Norden darauf reagieren, von einem Deutschen auf Schwedisch angesprochen zu werden. Dänisch, Schwedisch und Norwegisch sind europäische Kultursprachen, die dem Deutschen verwandt sind und gerade deutschen »Muttersprachlern« viele überraschende
Einblicke in die eigene Sprache bieten. Wo es mir möglich war, habe ich sie in diesem Buch dargestellt und erläutert. Und gerade die auffälligsten Ähnlichkeiten beinhalten oft zugleich überraschende Unterschiede!
Man muss in Schweden jedoch nicht unbedingt schwedisch sprechen können: Das Königreich Schweden ist zwar die größte und volkreichste der skandinavischen Nationen, mit über 410 000 Quadratkilometern Fläche annähernd anderthalbmal so groß wie Deutschland, zählt aber nur knapp neun Millionen Einwohner, die in der Altersgruppe der Fünfzehn- bis Fünfzigjährigen meist sehr gut Englisch sprechen; für die Älteren ist früher sogar Deutsch die erste Pflichtfremdsprache gewesen. Ich habe mich bisher vor allem in Süd- und Mittelschweden aufgehalten, doch wenn man weiss, dass von den neun Millionen Schweden fast zwei Drittel südlich von Stockholm leben - etwa in Schonen, der Heimat von Selma Lagerlöfs Romanhelden Nils Holgersson und Henning Mankells Kommissar Wallander, im urschwedischen Smaland von Astrid Lindgrens Michel aus Lönneberga und Jan Theorins Öland -, erscheint mein Fokus auch aus schwedischer Sicht berechtigt.
Als es mich 1986 zum ersten Mal nach Schweden verschlug, war der Anteil der zumindest leidlich Deutsch sprechenden Schweden noch größer als heute. Das erleichterte es mir, mich rasch heimisch zu fühlen. Doch als ich, tysken, der Deutsche, anfing, Schwedisch zu sprechen - mit vielen Fehlern, die mir nie jemand vorhielt - fand ich Nachbarn und Freunde, von denen wir Deutschen eigentlich überraschend wenig wissen. Wer weiß denn, dass die Schweden im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) fast das ganze heutige Deutschland, von der Ostseeküste bis München, erobert hatten? Dass Schweden nach diesem Krieg als eine der Sieger- und Besatzungsmächte in Teilen Sachsen-
Anhalts, Brandenburgs und Mecklenburg-Vorpommerns beherrschend blieb, noch 250 Jahre lang, zuletzt in Wismar? Das haben wir aus unserem kollektiven Geschichtsbewusstsein ausgeblendet. Die Schweden wissen es aber sehr wohl - es war ihre stormaktstid, ihre Großmachtzeit, die von 1630 bis 1730 währte. Eine der großen Attraktionen Stockholms ist die 1958 im Schlick des Hafengrundes wiederentdeckte und (noch schwimmfähig!) geborgene Vasa, ein bedrohliches 80-Kanonen- Segelkriegsschiff, auf der Jungfernfahrt gesunken in jenem Jahr 1628, als die schwedischen Truppen München belagerten. Schwedische Besucher des Vasa-varvet - des zum Museum ausgebauten heutigen Liegeplatzes dieses Schlachtschiffes - betrachten das düster dräuende Schiff mit ganz anderen Augen als die arglosen deutschen Touristen. Schweden als Großmacht? Merkwürdig, dass ausgerechnet wir Deutschen, im Nordosten unseres Landes jahrhundertelang von Schweden besetzt, uns das überhaupt nicht mehr vorstellen können!
Als 1989 die Mauer fiel, entdeckte ich eine Menge schwedischer Unternehmen im Ostteil Berlins. Banken, Bau- und Handelsunternehmen, die mit der DDR Geschäfte gemacht hatten und sich nach der Wende die Frage stellten, ob sie durch die Wiedervereinigung einen Markt gewonnen oder verloren hatten. Das traditionell neutrale Schweden war ein geschätzter Handelspartner der untergegangenen DDR gewesen. Ausgerechnet das nordische Königreich! Zeitweilig war ich Mitglied der Schwedischen Handelskammer in Deutschland - und stellte überrascht fest, dass schwedische Unternehmer gern singen. Im Anschluss an Business-Konferenzen. Lauter Manager ohne Jackett, zum Beispiel bei einer abendlichen Kanalfahrt durch Berlin. Singende Geschäftspartner.

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