Ein Keim kommt selten allein: Wie Mikroben unser Leben bestimmen und wir uns vor ihnen schützen

Ein Keim kommt selten allein: Wie Mikroben unser Leben bestimmen und wir uns vor ihnen schützen

Ein Keim kommt selten allein: Wie Mikroben unser Leben bestimmen und wir uns vor ihnen schützen

Ein Keim kommt selten allein: Wie Mikroben unser Leben bestimmen und wir uns vor ihnen schützen

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Overview

Stehen wir  bereits mit einem Bein im Grab, wenn das Desinfektionsspray nicht stets griffbereit ist? Der Mikrobiologe Professor Dr. Markus Egert von der Hochschule Furtwangen (HFU) ist Deutschlands führender Forscher auf dem Gebiet der Haushaltshygiene. Er wirft mit uns gemeinsam einen Blick durchs Mikroskop und erklärt anschaulich und mit viel Witz, warum wir manche Mikroben unbedingt umbringen müssen – während etliche andere dieser unsichtbaren Lebensbegleiter sogar sehr wichtig für unser Wohlbefinden sind. Er zeigt, warum im Waschbecken viel mehr Keime lauern als auf dem Toilettensitz. Und er schildert, wo im Haushalt und im Alltag uns welche mikrobiologischen Phänomene erwarten - und was wir gegen sie tun können.  


Product Details

ISBN-13: 9783843718356
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 08/10/2018
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 256
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Markus Egert, Jahrgang 1972, hat Biologie studiert und in molekularer mikrobieller Ökologie promoviert. Nach einem mehrjährigen Abstecher in die Hygiene- und Kosmetik-Industrie ist er seit 2011 Professor für Mikrobiologie und Hygiene an der Hochschule Furtwangen. Hier lehrt und forscht er zu Mikroflora des Menschen und seiner häuslichen Umgebung.
Frank Thadeusz, Jahrgang 1971, hat in Bochum und Berlin Geschichte, Politik und Nordamerikawissenschaften studiert. Seit 2007 ist er Redakteur des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL im Ressort Wissenschaft und Technik.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Keim oder nicht Keim

Der Urkeim – ein Workaholic, dem wir alles verdanken

Vorträge zur Haushaltshygiene beginne ich gern mit: »Hallo, mein Name ist Markus Egert und ich untersuche Sachen, von denen die meisten Leute sagen: Das will ich eigentlich alles gar nicht so genau wissen!« Viele Menschen empfinden zunächst Widerwillen, wenn es um Keime und Bakterien geht. Zu unappetitlich erscheint dieses Thema, vielleicht auch zu unheimlich. Denn hier geht es um Dinge, die sich im Verborgenen abspielen.

Doch diese Scheu verfliegt in der Regel schon nach wenigen Minuten. Denn Haushaltshygiene betrifft wirklich jeden von uns – und lässt letztlich keinen kalt. Nach meiner Erfahrung halten sich die meisten für sehr reinlich und vernünftig im Umgang mit Putzlappen und Allesreiniger. Gespottet wird eher über andere. Wer hat nicht einen Bekannten, dem man immer schon mal gern zum Geburtstag eine Packung Wischtücher geschenkt hätte? Und sicher gibt's irgendwo auch eine Freundin, die man nicht mehr ganz so oft besucht, weil sie einem mit ihrem Putzfimmel auf den Geist geht.

Dass ich mich als Mikrobiologe diesem Thema gewidmet habe, war sicher kein Selbstläufer. Es ist nicht gerade so, dass ich mich zu Hause darum reiße, wenn's ums Saubermachen geht. Promoviert habe ich über Mikrobengemeinschaften im Darm von afrikanischen Rosenkäferlarven, Maikäfer-Engerlingen und Regenwürmern. Wer jetzt den Eindruck bekommt, die Mikrobiologie sei eigentlich ein überflüssiges Orchideenfach, den kann ich beruhigen. Ich behaupte, dass gerade Mikrobiologen heute über eine Jobgarantie verfügen.

Denn sie werden wirklich an fast allen Ecken und Enden gebraucht, damit unser modernes Leben funktioniert. Mikrobiologen müssen überprüfen, dass weder in unsere Lebensmittel noch in unser Trinkwasser gefährliche Keime geraten. Viele Pharmazeutika müssen sogar steril, also absolut keimfrei sein. Selbst in den Tauchbädern der Automobilindustrie, in welche die Karossen zur Lackierung versenkt werden, dürfen sich Keime nur in geringer Zahl befinden. Sonst bestünde die Gefahr, dass sich die Einzeller auf dem Metall niederlassen und der Lack später nicht richtig haftet.

Abenteuerspielplatz für Mikrobiologen

Dass ich Haushalts-Hygieniker wurde, war ein Zufall. Im Jahr 2006 ging ich zum Düsseldorfer Konsumgüterhersteller Henkel. Für einen arglosen Wissenschaftler von der Universität ist so ein Karriereschritt erst mal ein Wechsel auf die dunkle Seite der Macht. Denn dort wird Forschung nicht mehr nur um der Forschung willen betrieben, sondern um mehr Waschmittel, Spüli oder Deos zu verkaufen.

Ich wurde Laborleiter in der Abteilung für Mikrobiologie. Mein Hauptgebiet war zunächst die Körpergeruchs- und Deoforschung. Es war, als wäre ich in einen großen Abenteuerspielplatz für Mikrobiologen geraten! Einer der alten Chefs sprach gern von Herrn Egerts Sandkasten, wenn ich Projektideen mit meinen neuen Uni-Methoden präsentierte.

Wir erforschten zum Beispiel die Auswirkungen von Kosmetik auf die Hautflora. Dazu haben wir Keime aus der Achselhöhle von Kollegen isoliert und untersucht, welche von ihnen Stinkstoffe produzieren. Später beschäftigten wir uns noch mit Stinker-Bakterien von Auto-Klimaanlagen, der Waschmaschinen-Flora und der Wirkung von Reinigungsmitteln auf die Mikroben in einem Haushalt.

Außerdem untersuchten wir Enzyme aus gentechnisch veränderten Bakterien, die in der Lage waren, beim maschinellen Waschvorgang die Flecken auf der Wäsche zu verdauen. Das ist ein bisschen wie im Labor von Dr. Frankenstein. Doch die moderne Mikrobiologie macht's möglich: Kein Problem, am Reißbrett einen Mikroorganismus nach Maß zu erschaffen, der genau das tut, was man will. Na ja, fast.

Andererseits: Mit lebenden Mikroorganismen arbeiten Mikrobiologen noch ziemlich genauso, wie es der Entdecker des Tuberkulose-Erregers, Robert Koch, schon vor knapp 150 Jahren getan hat: mit festen oder flüssigen Nährmedien. Denn nur bei lebenden Mikroben kann man tatsächlich testen, wie sie auf bestimmte Umweltreize, zum Beispiel Reinigungsmittel oder Deowirkstoffe, reagieren.

Man vergisst leicht, dass Mikroorganismen Lebewesen sind, die einen eigenen Stoffwechsel besitzen. Sie sind nur tausendstel Millimeter groß, und um sie zu sehen, braucht man ein Mikroskop. Diese kleinsten Bewohner der Erde sichtbar werden zu lassen, war vor fast 350 Jahren ein Riesenschritt. Der erste Mensch, der Bakterien erstmals verlässlich gesehen und beschrieben hat, war Antoni van Leeuwenhoek, ein holländischer Hobby-Linsenschleifer und Optiker. Dieser Mann wusste allerdings noch nicht wirklich, mit wem er es zu tun hatte. In Unkenntnis ihrer Existenz glaubten selbst im 19. Jahrhundert noch Mediziner, dass Krankheiten durch üble Gerüche verursacht werden, bis der bereits erwähnte Robert Koch über ihre wahre Natur aufklärte.

Mikroben im Mixer

Alle Mikroben sind Einzeller. Dass sie in dieser Form existieren können, ist durchaus bemerkenswert. Wenn Mikrobiologen den wahren Unterschied zwischen Mikroorganismen, also Einzellern, und höheren, mehrzelligen Lebewesen erklären wollen, haben sie ein ganz einfaches Unterscheidungskriterium zur Hand: Alles, was man in einen Mixer stecken kann, ohne es zu töten, sind Mikroorganismen. Der Hintergrund: In Mehrzellern haben sich die einzelnen Zellen so spezialisiert, dass sie alleine unter natürlichen Bedingungen nicht mehr lebensfähig sind. Werden sie auseinandergerissen, können sie danach keinen vollständigen Organismus mehr aufbauen.

Mikroorganismen sind dagegen potenziell unsterblich. Sie vermehren sich stur durch Zweiteilung oder – wissenschaftlich ausgedrückt – exponentielles Wachstum: aus einer Zelle werden zwei neue, daraus vier, daraus acht ... Wohin so was führt? Aus einer einzigen Zelle, die sich über 48 Stunden alle 20Minuten teilt, entsteht eine Biomasse, die etwa3000-mal schwerer ist als die Erde.

Zu den Mikroorganismen oder Mikroben gehören die Bakterien und auch die Archaeen, eine weniger bekannte Schwesterngruppe der Bakterien, die zum Beispiel in Biogasanlagen Methan zum Heizen erzeugen. Daneben sind Pilze, Algen, einzellige Tiere (Protozoen) und auch Viren Mikroorganismen. Letztere sind Sonderlinge, die keine Lebewesen, sondern »nur« komplizierte Moleküle ohne eigenen Stoffwechsel sind.

Bakterien stellen sicher die am besten untersuchten Mikroben dar. Sie sind in der Lage, chemische Reize wahrzunehmen, und viele von ihnen besitzen sogar eine Art Motor, mit dem sie sich fortbewegen können. Der Begriff »Keime« wird oft synonym für Krankheitserreger verwendet. Das ist ungerechtfertigt! Die meisten Mikroben sind für Menschen völlig harmlos.

Bakterien haben im Gegensatz zu den Zellen von Pilzen, Algen, Protozoen und allen höheren Lebewesen keinen Zellkern. Sie werden Prokaryoten genannt. Und dennoch sind unsere Zellen mit den Bakterien direkt verwandt. Genauer gesagt, sind wir sogar aus ihnen hervorgegangen. Vor langer Zeit verkuppelten sich Bakterien und Archaeen zu sogenannten Eukaryoten: Zellen mit einem Zellkern, aus denen letztlich auch Menschen gemacht sind.

Wir verdanken den Mikroorganismen also nicht weniger als unsere Existenz! Alles Leben auf unserer Erde ist aus ihnen hervorgegangen. Es ist schon tragisch: In der Schöpfungsgeschichte werden diese winzigen Lebewesen, die wir mit bloßem Auge nicht erkennen können, mit keiner Silbe erwähnt. Dabei verdienen Bakterien und Mikroorganismen eigentlich ein dickes Extrakapitel in jedem Buch, das vom Werden des Menschen handelt.

Mikroben waren die ersten Bewohner auf unserem Planeten, als dieser noch einem lebensfeindlichen Inferno glich – und nicht jener lieblichen Welt mit Rosenduft und Vogelgezwitscher, die wir heute unser Zuhause nennen. Würden Mikroben diese beinahe verstörende Widerstandsfähigkeit nicht besitzen, wäre unsere Erde eine unbewohnbare Wüstenei geblieben. Kein Mensch und kein Tier hätten hier je überlebt, und Bäume und Blumen würden nicht existieren.

In unserem Zuhause betrachten wir Mikroorganismen gerne als Eindringlinge. Machen wir uns nichts vor: Wir wohnen bei ihnen, nicht sie bei uns!

Der Urahn allen Lebens: ein Keim

Zugegeben, es ist eine Herausforderung, Wertschätzung für einen Organismus zu empfinden, der etwa 40-mal kleiner ist als ein menschliches Haar und zudem einen ziemlich miesen Ruf besitzt. Und doch führt kein Weg an dieser fundamentalen Erkenntnis vorbei: Alles Leben auf der Erde geht auf einen Superkeim zurück, der vielleicht schon vor 4,3 Milliarden Jahren die Bühne betrat.

Wissenschaftler gaben diesem ersten zellulären Lebewesen auf der Erde den NamenLUCA – eine Abkürzung für »Last Universal Common Ancestor« (»Letzter universeller, gemeinsamer Vorfahre«). Als er auftauchte, war die Erde vermutlich gerade erst wenige hundert Millionen Jahre alt.

Keime hinterlassen keine Zeugnisse ihres Daseins, die auch nur annähernd so eindrucksvoll sind wie das Skelett einesTyrannosaurus rex. Dass es überhaupt Belege für ihre frühe Existenz gibt, verdanken wir paradoxerweise dem Klimawandel. Durch die Erderwärmung werden zunehmend uralte Gesteinsformationen freigelegt, an die zuvor kein Mensch herangekommen ist.

Im Nuvvuagittuq-Grünsteingürtel in der kanadischen Provinz Québec etwa entdeckte kürzlich ein britisch-australisches Forscherteam 4,3 Milliarden Jahre alte Gesteine mit röhrenartigen Strukturen. Solche Gebilde sind auch heute noch ein typisches Stoffwechselprodukt von Mikroorganismen, die in der Nähe von heißen vulkanischen Quellen am Tiefseeboden leben. Denn das Wasser dieser sogenannten Black Smokers ist überaus nährstoffreich.

Sauerstoff – ein Zufallsprodukt

Die junge Erde, auf der LUCA auftauchte, war ein lebensfeindlicher Ort. Die Erdatmosphäre, die uns vor der tödlichen UV- und Röntgen-Strahlung der Sonne schützt, gab es in ihrer jetzigen Form längst noch nicht. Deshalb war natürlich auch kein Sauerstoff vorhanden. Außerdem war es sehr heiß. LUCA kam im Wasser auf die Welt.

Sauerstoff ist der Schlüssel allen höheren Lebens auf unserer Erde. Die Entstehung unserer Atemluft ist ein Wunder, das wir den sogenannten Cyanobakterien (Blaualgen) verdanken. Sie schufen sich aus Sonnenlicht, dem Kohlenstoffdioxid der Luft und Wasser ihre eigene Nahrung: Kohlenhydrate. Der freie, gasförmige Sauerstoff entstand dabei als Abfallprodukt dieser Photosynthese.

Es dauerte rund anderthalb Milliarden Jahre, ehe die Sauerstoffkonzentration in der Atmosphäre bei knapp 21 Prozent lag. Das ist exakt jener Wert, mit dem wir heute prächtig existieren. Dieser Zustand war erstmals vor rund einer Milliarde Jahren erreicht. Mit so viel Sauerstoff als Energiequelle zum Atmen konnte die Vielfalt des Lebens explodieren, und der blaue Planet wurde grün. Außerdem entstanden die höheren, also mehrzelligen Lebensformen.

Doch keines der zahlreichen Lebewesen, die bis heute entstanden sind, kann seine Herkunft verleugnen. Wir alle stammen von LUCA ab und sind deshalb auch miteinander verwandt; vom Bakterium über die Seegurke, von der Kartoffel und der Fruchtfliege bis hin zum Schimpansen und Menschen teilen wir gemeinsame Merkmale, wie zum Beispiel eine DNA als Erbgut oder die Art und Weise, Proteine (Eiweiße) herzustellen.

Das bedeutet auch, dass die Mikroorganismen mit uns aufs Intimste verwoben sind. Denn jede unserer Zellen enthält »eingewanderte« Bakterien-Zellen, die als sogenannte Mitochondrien rund 90 Prozent unserer Energie erzeugen.

Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Leben auf der Erde entstanden ist. Aber eine Sache könnte stutzig machen: die Fähigkeiten mancher Mikroorganismen, selbst feindlichste Lebensbedingungen zu überstehen. Woher kommt diese Zähigkeit? Wir wissen ja inzwischen, dass die Evolution nicht gerade zur Hektik neigt und in sehr kleinen Schritten vorangeht. Aber diese Mikroben haben sich offenbar in vergleichbar kurzer Zeit eine verblüffende Widerstandskraft antrainiert.

Dazu gibt es eine Theorie, die allerdings in der seriösen Wissenschaft nicht allzu viele Anhänger hat. Aber gönnen wir uns kurz den wohligen Schauer des Grauens, der den Charme dieser These ausmacht: Es sei zumindest theoretisch möglich, dass die Erde aus dem Weltraum »angeimpft« worden ist, behaupten die Vertreter der Panspermie. Demnach wären also bereits entwickelte Sporen außerirdischen Lebens auf unseren verwaisten Planeten herabgerieselt und hätten diesen kolonisiert. Demnach wären wir alle Aliens.

Die ältesten Individuen, die jemals lebten

Amerikanische Mikrobiologen haben in Salzkristallen, die mehr als 250 Millionen Jahre alt waren, eingeschlossene Sporen von Bakterien entdeckt. Die Forscher päppelten die scheinbar erloschenen Winzlinge mit einer Nährlösung aus Zucker, Vitaminen und Spurenelementen. Die Mixtur erwies sich als wahrer Zaubertrank. Die Sporen erwachten wieder zum Leben, als wäre nichts gewesen.

Diese Bakterien sind mit einem beachtlichen Alter von 250 Millionen Jahren die ältesten Individuen, die jemals auf der Erde gelebt haben. Zum Vergleich: Der nachweislich älteste Mensch wurde gerade mal 122 Jahre alt. Umso einleuchtender erscheint, dass Mikroorganismen mit solchen Fähigkeiten auch eine Reise durch den Weltraum überleben könnten – etwa als Passagiere auf einem Meteoriten.

Selbst der Aufprall auf die Erde würde ihnen vermutlich nicht den Garaus machen. Die Resistenz von Bakterien-Sporen beruht auf einer mehrschichtigen, extrem dichten Hülle und einem nahezu auf null herunterregulierten Stoffwechsel. Diese Lebensformen trotzen großer Hitze, Trockenheit, Nährstoffmangel und selbst Antibiotika.

Mikroben haben in den 4,3 Milliarden Jahren ihrer Evolution nahezu jeden Winkel der Erde besiedelt. Man findet sie noch etliche Kilometer tief in der Geosphäre; aber auch bis hinauf in die höchsten Höhen der Stratosphäre. Es gibt fast keinen natürlichen Ort auf der Erde, der steril, also keimfrei wäre (von glühender Magma vielleicht mal abgesehen). Jede Mikrobe kann schon aufgrund ihrer geringen Größe an jeden Ort der Welt gelangen. Ob sie sich dort allerdings auch wohlfühlt, überlebt und vermehrt, hängt von den jeweiligen Umweltbedingungen ab.

Das bedeutet: Wir haben durchaus Einfluss darauf, ob Mikroorganismen Kühlschrank, Bett oder Toilette in unserer Wohnung als idealen Wohnort für sich entdecken. Sich vor Mikroben schützen oder gar verstecken zu wollen ist jedoch zwecklos. Wir werden sie schlicht nie los.

LUCA und seine Nachfolger halten es hier auf der Erde schon gut vier Milliarden Jahre aus. Die Dinosaurier kamen gerade mal für 170Millionen Jahre vorbei – eine vergleichsweise kurze Episode. Homo sapiens bringt es erst auf eine läppische Verweildauer von 200 000Jahren auf der Erde.

Mikroben wie Bakterien waren also die Ersten auf der Erde. Und nicht nur das. Wenn in etwa zwei bis drei Milliarden Jahren die Sonne unseren Erdball unausweichlich verglüht, dann werden sie sicher auch die Letzten sein.

Zusammen sind sie stark – warum Keime echte Familienmenschen sind

Wenn Tiere brummen oder brüllen, dann unterhalten sie sich vermutlich gerade mit einem Artgenossen. Heringe tun das sogar, indem sie pupsen. Dass Tiere tatsächlich miteinander plauschen, war eine höchst überraschende Erkenntnis der Evolutionsbiologie.

Auch Pflanzen pflegen untereinander einen regen Austausch, wenn es sein muss. Will sich etwa ein Tier oder ein Insekt an dem Grünzeug vergehen und daran knabbern, wehrt sich die bedrängte Pflanze nicht nur mit unangenehmen Bitterstoffen – über flüchtige chemische Signale versetzt sie sogleich auch ihre Nachbarschaft in Alarm.

Mikroorganismen würde man die phantastische Kulturleistung der Kommunikation natürlich überhaupt nicht zutrauen. Doof wie Brot und nur dazu da, um sich zu vermehren – dieses wenig schmeichelhafte Image haftet den Stiefkindern unseres Ökosystems im Grunde bis heute an. Entsprechend groß war die Skepsis, als der Biochemiker J. Woodland »Woody« Hastings von der Harvard-Universität in Cambridge erstmals die These formulierte, dass Mikroben im Verborgenen kommunizieren.

Doch Hastings ist inzwischen anerkannt. Für die verblüffende Fähigkeit der Mikroben, sich regelrecht zu verabreden und in großen Gruppen zu organisieren, hat sich in der Mikrobiologie der etwas sperrige Ausdruck »Quorum Sensing« durchgesetzt. Dies besagt, dass die Einzeller anscheinend wahrnehmen können, wie viele ihrer Artgenossen in der Nähe sind. Und dass sie dieses Wissen zu ihrem Vorteil nutzen.

Offenbar entwickelten die kleinsten Lebensformen unseres Planeten ein erstaunlich komplexes Kommunikationssystem, das ganz unterschiedliche Bedürfnisse zum Ausdruck bringen kann. Allein in den vergangenen Jahren haben Forscher rund zwanzig verschiedene Signalmoleküle identifiziert, mit denen sich Mikroben unterschiedliche Botschaften zukommen lassen. Und damit ist vermutlich erst ein Bruchteil ihrer Unterhaltungsformen dechiffriert.

(Continues…)


Excerpted from "Ein Keim kommt selten allein"
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Table of Contents

Über das Buch und die Autoren,
Titelseite,
Impressum,
Widmung,
Prolog,
1. Keim oder nicht Keim – Elementares über Mikroben und Menschen,
2. Ein Keim kommt selten allein,
3. Sie sind mitten unter uns,
4. Dr. Bazillus und Mr. Keim,
Epilog,
Informative Internet-Quellen zum Thema Hygiene und Mikrobiologie,
Literaturverzeichnis,
Feedback an den Verlag,
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