Frühstück in den Dünen
Große Gefühle zwischen Darß und Bodden Nora, 35, ist erfolgreiche Fotografin und lebt mit ihrem Freund Phil im schönen Ahrenshoop. Das einzige, was Nora zu ihrem Glück noch fehlt, ist ein Kind. Leider will es nicht klappen. Auf einem Klassentreffen trifft sie ihre Jugendliebe Marco wieder, es kommt zu einer folgenreichen Nacht an der Ostsee. Als wäre das nicht genug, gibt Noras Vater ihr die Briefe ihrer verstorbenen Mutter. Sie offenbaren eine bittere Wahrheit, und Noras Bild von Familie wird in den Grundfesten erschüttert ...
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Frühstück in den Dünen
Große Gefühle zwischen Darß und Bodden Nora, 35, ist erfolgreiche Fotografin und lebt mit ihrem Freund Phil im schönen Ahrenshoop. Das einzige, was Nora zu ihrem Glück noch fehlt, ist ein Kind. Leider will es nicht klappen. Auf einem Klassentreffen trifft sie ihre Jugendliebe Marco wieder, es kommt zu einer folgenreichen Nacht an der Ostsee. Als wäre das nicht genug, gibt Noras Vater ihr die Briefe ihrer verstorbenen Mutter. Sie offenbaren eine bittere Wahrheit, und Noras Bild von Familie wird in den Grundfesten erschüttert ...
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Frühstück in den Dünen

Frühstück in den Dünen

by Susanne Lieder
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by Susanne Lieder

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Overview

Große Gefühle zwischen Darß und Bodden Nora, 35, ist erfolgreiche Fotografin und lebt mit ihrem Freund Phil im schönen Ahrenshoop. Das einzige, was Nora zu ihrem Glück noch fehlt, ist ein Kind. Leider will es nicht klappen. Auf einem Klassentreffen trifft sie ihre Jugendliebe Marco wieder, es kommt zu einer folgenreichen Nacht an der Ostsee. Als wäre das nicht genug, gibt Noras Vater ihr die Briefe ihrer verstorbenen Mutter. Sie offenbaren eine bittere Wahrheit, und Noras Bild von Familie wird in den Grundfesten erschüttert ...

Product Details

ISBN-13: 9783843717465
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 05/11/2018
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 304
File size: 1 MB
Language: German

About the Author

Susanne Lieder wurde 1963 in Ostwestfalen geboren. Sie ist verheiratet und hat drei erwachsene Söhne. Inzwischen lebt sie mit ihrem Mann auf einem kleinen Resthof in der Nähe von Bremen. Wenn sie könnte, würde sie sofort auf den Darß ziehen.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Ahrenshoop auf Fischland

Vier Tage. Vier Tage voller Bangen, Hoffen und Wünschen. An diesem Morgen betrachtete Nora sich prüfend im Spiegel. Sah sie anders aus als sonst?

Sie putzte sich die Zähne, wusch ihr Gesicht und band ihre langen Haare zu einem Zopf.

Da! War das nicht ein Ziehen in ihrem Unterleib gewesen? Nein, das musste sie sich eingebildet haben. Genau wie das kurze Unwohlsein gleich nach dem Aufstehen.

Allmählich werde ich paranoid ...

War das ein Wunder?

Auf Zehenspitzen lief sie ins Schlafzimmer und öffnete leise die Schublade ihres Nachtschranks. Sie nahm das Blatt mit ihrer Temperaturkurve heraus und starrte sekundenlang darauf. Vier Tage ...

Phil hatte ihr den Rücken zugedreht und schien noch fest zu schlafen.

Nora schlüpfte in Jeans und Shirt und ging in die Küche, um Frühstück zu machen. Am Stuhl hing ihre Handtasche. Komm schon, du weißt die Daten inzwischen auswendig ...

Trotzdem holte sie ihren Taschenkalender heraus und blätterte ein paar Seiten zurück und gleich wieder vor. Nein, sie hatte sich nicht verrechnet. Natürlich nicht.

Mit einem leisen Seufzen steckte sie den Kalender zurück in die Tasche und stellte sich ans Fenster. Es war gekippt, und lautes Vogelgezwitscher drang ins Zimmer, genau wie das leise Rauschen der nahen Ostsee.

Die Toilettenspülung war zu hören, Phil war offenbar aufgestanden.

Sie wollte aufspringen und zu ihm laufen.

Vier Tage, Phil, vielleicht hat es diesmal geklappt ...

Nein, sie würde es ihm nicht sagen. Noch nicht. Ein, zwei Tage würde sie noch warten.

»Morgen, Schatz.« Er stand in der Tür, das braune, leicht gelockte Haar zerzaust, die linke Wange gerötet. »Gut geschlafen?«

Sie nickte und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben. »Und du?«

»Wie ein Baby.«

Sie schluckte. »Kommst du frühstücken?«

»Ich ziehe mir nur schnell was an.«

Es war Samstag, und sie freuten sich auf ein ausgiebiges, gemütliches Frühstück.

Gedankenverloren betrachtete Nora den gedeckten Tisch und stellte sich vor, dass auch ein Kinderteller darauf stehen würde. Gleich neben ihrem Teller.

Ach verdammt, sie hatte sich doch verboten, über so etwas nachzudenken! Das hatte Zeit bis ...

Phil kam wieder herein, und sie fuhr zusammen.

»Du siehst so nachdenklich aus.« Er schenkte ihr Kaffee ein. »Alles in Ordnung?«

»Klar. Worauf hast du heute Lust? Wir könnten faul am Strand rumliegen«, schlug sie vor.

Er biss in sein Marmeladenbrötchen und nickte. »Klingt gut. Ich muss nur erst noch ein paar Hefte korrigieren. Bis zum Mittag müsste ich aber durch sein.« Er legte das Brötchen auf den Teller. »Wirklich alles okay?«

Er sieht es mir an. Er sieht es mir immer an ...

»Ja, wirklich, Phil«, antwortete sie mit Nachdruck.

»Hast du Lust auf Musik?« Er stand auf und ging zur kleinen Stereoanlage, die im Regal stand. »Wie wär's mit Jazz? Oder lieber Pop?«

»Am liebsten wäre mir Radio.«

Sie hörten dem Moderator zu, der berichtete, wie sommerlich das Wetter in den kommenden Tagen werden würde.

»Ein Mai, der eigentlich ein Juli ist.« Phil zerknüllte seine Papierserviette. »Und mein erster Mai auf Fischland.«

Er war Stadtmensch durch und durch, und dennoch hatte er keine Sekunde gezögert, mit ihr hierherzuziehen.

Ihre Mutter war vor knapp einem Jahr nach längerer Krankheit und für ihre Familie trotzdem völlig überraschend gestorben. Als ihr Vater begonnen hatte, mehr zu schweigen, als zu reden, hatte Nora beschlossen, wieder nach Fischland zu ziehen, um in seiner Nähe sein zu können.

Dabei hatte sie in Berlin beruflich gerade Fuß gefasst, und privat hatten sie und Phil eine Menge Pläne gemacht. Es gab den Traum von einem kleinen Haus am Stadtrand, und sie wollten eine Familie gründen. Nora hätte ihrer Mutter gern ein Enkelkind geschenkt. Kinder waren ein Symbol für das Leben, und genau das sollte auch ihre Mutter: leben, gesund werden.

Sie waren zuversichtlich und optimistisch gewesen. Doch dann der Anruf ihres Vaters: Mama ist heute Nacht gestorben, Nora.

Dieser eine Satz hatte alles auf den Kopf gestellt und sämtliche Pläne von jetzt auf gleich zunichte- und damit völlig bedeutungslos gemacht.

Phil drückte ihre Hand. »Warum sagst du mir nicht, was los ist?«

»Ich musste nur gerade an meine Mutter denken.« Sie stand hastig auf. »Ich sehe mal nach meinem Vater.«

»Tu das.« Er seufzte. »Und ich erledige brav meine Pflichten als Lehrer.«

Ihr Vater wohnte nur ein paar Straßen entfernt.

Das Haus war inzwischen eigentlich viel zu groß für ihn allein, aber er hatte darauf bestanden, dass sie sich eine eigene Wohnung suchten. Ihr braucht Zeit und Platz für euch, hatte er gemeint, es wäre nicht gut, wenn wir drei ständig aufeinanderhocken.

Noch immer gab es Momente, wo Nora nicht glauben konnte, dass ihre Mutter nicht mehr da war. Es passierte, dass sie ihr Smartphone nahm, um sie anzurufen, oder dass ihr durch den Kopf ging: Das muss ich unbedingt Mama erzählen.

Die Sonne schien, es würde wieder ein warmer Tag werden.

Eine längere Autokolonne schob sich die Straße entlang.

Für gewöhnlich begannen die Touristenströme Mitte Mai und ebbten Ende September wieder ab.

Als Nora auf ihr Elternhaus zuging, wurde ihr bewusst, dass sie eine Hand auf ihren Bauch gelegt hatte. Ein vages, sehr flüchtiges Gefühl von Hoffnung vermischt mit Vorfreude durchströmte sie. Vielleicht hatte es diesmal ja wirklich geklappt.

Ihr Handy klingelte. Holger ruft an.

Sie hatten dieselbe Schule besucht, er war eine Klasse über ihr gewesen. Damals waren sie nicht befreundet gewesen, mittlerweile schon.

»Hallo, Nora. Alles klar?«

»Ja, und bei dir?«

»Alles bestens. Wo bist du gerade?«

»Auf dem Weg zu meinem Vater.«

»Ich würde gerne was mit dir besprechen. Kannst du vorbeikommen, dann können wir in Ruhe darüber reden?«

»Einverstanden. Sagen wir in zwei Stunden?«

»Gut, dann bis später.«

Ihr Vater stand bereits in der Tür, als sie den Weg entlangkam. »Morgen, Nora, wie schön.«

Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Tag, Paps. Gut geschlafen?«

»Einigermaßen. Zwei Katzen haben sich unter dem Fenster gebalgt. Irgendwann hab ich das Fenster aufgemacht und gebrüllt, dass ich ihnen die Ohren langziehe, da sind sie weggelaufen.«

Sie ging in die Küche. Offensichtlich war er gerade beim Frühstück. Wie immer war sie erleichtert, dabei hätte sie ruhig ein bisschen zuversichtlicher sein können. Er trauerte nach wie vor, das würde sich wahrscheinlich auch nie ändern, aber er blickte endlich wieder nach vorn. Optimistisch und zuversichtlich.

»Geht's dir gut?«, fragte er sie.

Als Kind hatte sie geglaubt, er könne ihr direkt in den Kopf schauen und ihre Gedanken lesen.

»Ja, mir geht's gut, Paps.«

Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Der Rasen war frisch gemäht, sogar die Terrasse war gefegt und zwei Töpfe mit roten Blumen standen darauf. »Hast du die selbst eingepflanzt?«

Er stellte sich neben sie. »Natürlich, oder dachtest du, dein alter Vater kann so was nicht?«

»Du kannst doch alles«, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu. Als kleines Mädchen hatte sie auch das geglaubt. »Was sind das für Pflanzen?«

»Geranien. Halten einem die Fliegen vom Leib.«

»Dann will ich auch welche.«

»Ich habe noch zwei oder drei, die pflanz ich dir ein.«

»Das kann ich doch selbst machen, Paps.«

Er blickte sie belustigt an. »Ach ja? Ich dachte, bei dir gehen sogar die Kakteen ein.«

»Das stimmt. Den grünen Daumen hab ich leider nicht von Mama geerbt.«

»Warum kommt ihr morgen Abend nicht zum Grillen vorbei?«, schlug er vor. »Du könntest deinen berühmten Kartoffel-Gurken-Salat machen.«

Sie musste lachen. »Auch kochen konnte sie besser. Aber ich gebe nicht auf.«

Sie öffnete die Terrassentür und atmete den Duft von gemähtem Gras ein. Es erinnerte sie jedes Mal an ihre Kindheit.

Sie ging zu dem Kräuterbeet, das ihre Mutter vor ein paar Jahren angelegt hatte. Es wimmelte nur so von Hummeln und Bienen, auch ein paar Tagpfauenaugen flatterten umher.

»Der Borretsch blüht.« Ihr Vater hatte sich hinter sie gestellt. »Sonja hat manchmal kleine Sträuße gepflückt und im Haus verteilt.«

Nora bückte sich, um ein paar Stängel abzupflücken. Was schwierig war, die ersten hatte sie bereits völlig verbogen.

»Warte, ich hole ein Messer.« Ihr Vater verschwand im Haus.

Hier an diesem Kräuterbeet fühlte sie sich ihrer Mutter näher als irgendwo sonst. Sie ging zwar regelmäßig zum Friedhof, spürte dort aber nicht dieses intensive Gefühl.

Ihr Vater kam zurück und legte ihr ein kleines Messer in die Hand. »Pass auf, dass du dich nicht schneidest. Es ist frisch geschliffen.«

Sie schnitt vier kleine Stängel ab und roch daran. Auch dieser Geruch erinnerte sie an ihre Mutter.

»Wie geht's Phil?«

Sie drehte sich zu ihrem Vater um. »Er korrigiert gerade Mathearbeiten.«

Er schmunzelte und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Manchmal frage ich mich noch immer, wie du ausgerechnet an einen Mathematiklehrer geraten konntest.«

Sie musste lachen. Zahlen waren schon immer ein rotes Tuch für sie gewesen. »Ja, das frage ich mich hin und wieder auch. Mit dem Rechnen, dem Kochen und den Pflanzen hab ich's nicht so, aber ansonsten bin ich unglaublich talentiert.«

Er legte den Arm um sie, und sie lachten beide. Dann wurde er wieder ernst. »Ich habe mir übrigens überlegt, ein bisschen kürzerzutreten.«

Sie war erleichtert. Wie lange hatte sie ihm in den Ohren gelegen, die Tischlerei zu verpachten oder wenigstens nur noch halbtags zu arbeiten. Immerhin war er inzwischen fünfundsechzig. Doch sie wusste, dass er die Arbeit brauchte, nicht nur, weil sie ihn ablenkte. »Gute Entscheidung, Paps.«

»Ich könnte Hermann fragen, ob er sie nicht pachten will.«

Nora schaute ihn überrascht an. »Wirklich?«

Er zuckte mit den Schultern. Er mochte darüber nachgedacht haben, aber sie kannte ihn viel zu gut und ahnte, dass er den Gedanken wieder verwerfen würde. Trotzdem war sie froh, dass er wenigstens in Erwägung zog, weniger zu arbeiten.

Als sie klein gewesen war, hatte sie viel Zeit in der Tischlerei verbracht. Sie liebte den Geruch von Holz und hatte erstaunlich gut damit umgehen können. Eine Weile hatte es tatsächlich so ausgesehen, als würde sie die Tischlerei ihres Vaters übernehmen. Wie froh und stolz ihn das gemacht hätte. Doch dann hatte sie einen Fotoapparat in die Hand bekommen und alle Pläne über Bord geworfen.

Ihr Vater hatte verständnisvoll wie immer reagiert: Ich möchte, dass du glücklich und zufrieden bist und einen Beruf ergreifst, der dich erfüllt.

Zwei Spatzen stritten um einen Regenwurm, und der Nachbarskater machte seinen morgendlichen Spaziergang.

Nora zeigte auf ihn und lachte. »Das ist die Gelegenheit, Paps.«

»Er ist keiner der Übeltäter. Jeden Morgen streift er durch den Garten und hat schon so manche Wühlmaus gefangen. Und er hält mir die Maulwürfe vom Leib.« Er lachte ebenfalls. »Na ja, nicht alle.«

Der schwarz-weiße Kater war vor einem Maulwurfshügel stehen geblieben, die Ohren nach vorn gelegt.

Noras Vater wurde wieder ernst. »Ständig denke ich, sie kommt gleich ins Zimmer und schimpft, weil ich meine dreckigen Arbeitsschuhe wieder zu den sauberen ins Regal gestellt habe. Oder ich höre mich fragen, was wir zu Mittag essen wollen. Ich weiß, sie fehlt dir genauso, Nora.« Er seufzte. »Wir müssen es irgendwie hinkriegen, an sie denken zu können, ohne jedes Mal traurig zu werden.«

»Es wird besser, Paps, irgendwann wird es leichter. Ich glaube fest daran.«

Er nickte abwesend. »Ich habe übrigens gestern eine alte Schulkameradin von dir getroffen.« Er kratzte sich am Kinn. »Wenn mir doch bloß ihr Name einfallen würde, verflixt und zugenäht«, brummte er. »Ich fürchte, ich werde allmählich doch vergesslich.«

»Du doch nicht, Paps. Wie sah sie denn aus?«

»Tja ... rötliches Haar, ungefähr so groß wie du, hübsch. Sie hat mich beim Bäcker angesprochen: Sind Sie nicht der Vater von Nora? Bitte grüßen Sie sie von mir. Und dann hat sie mir ihren Namen gesagt, und ich alter Schussel hab ihn gleich wieder vergessen.«

Nora winkte gleichmütig ab. Bestimmt würden sie sich auf dem Jahrgangstreffen über den Weg laufen. Dumm nur, dass sie eigentlich gar nicht vorhatte hinzugehen, auch wenn sie sich angemeldet hatte.

»Vielleicht seht ihr euch auf dem Klassentreffen.«

Sie schaute ihren Vater kopfschüttelnd an. »Manchmal bist du mir unheimlich, Paps. Ich glaube nicht, dass ich hingehen werde.«

»Ach ja?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Eigentlich interessiert's mich überhaupt nicht, wer verheiratet oder geschieden ist, Kinder hat ...« Sie verstummte.

Ihr Vater grinste. »Eigentlich. In Wahrheit bist du viel zu neugierig, was aus deinen ehemaligen Klassenkameraden geworden ist.«

»Nein.«

»Auch nicht, wie es Marco geht?«

»Nein.«

Marco und sie waren damals ein Paar gewesen, fast zwei Jahre lang. Eine Jugendliebe, nichts weiter. Sie hatte erst wieder an ihn gedacht, als die Einladung zum Jahrgangstreffen gekommen war.

»Und was ist mit Jasmin?« Er legte die Hand über die Augen, weil die Sonne ihn blendete.

Nora verdrehte die Augen. »Sie läuft mir manchmal über den Weg, und wenn ich ehrlich bin, reicht mir das völlig.«

Damals waren Jasmin und sie Freundinnen gewesen, ziemlich gute sogar. Jasmin war auf Fischland geblieben, um eine Ausbildung zur Hotelfachfrau zu machen, während Nora nach Berlin gezogen war, um Fotografie zu studieren. Ihr Kontakt war immer unregelmäßiger geworden, bis er schließlich ganz abgebrochen war. Inzwischen arbeitete Jasmin im Strandhotel, wo das Treffen stattfinden sollte.

»Christina ... Karina«, murmelte ihr Vater vor sich hin, »wenn mir doch bloß dieser verflixte Name einfallen würde.«

»Katharina?«, half Nora ihm auf die Sprünge.

Sein Gesicht hellte sich auf. »Katharina! Ja, das war's!«

Nora lächelte. »Katha Bertram, Englisch- und Deutsch-Leistungskurs.« Besonders gemocht hatten sie beide sich nicht. Katha war immer etwas spröde und unnahbar gewesen. »Seltsam, dass du mir Grüße ausrichten sollst. Ich glaube, Katha konnte mich damals nicht ausstehen.«

Er hob verwundert die Augenbrauen. »Den Eindruck hatte ich nicht. Und du? Mochtest du sie?«

»Nein, ehrlich gesagt nicht.«

Er machte »Hmm«, dann sagte er: »Ich gehe heute Abend übrigens Skat spielen.« »Wie schön.« Sie drückte seinen Arm. »Das freut mich.«

»Du tust ja gerade so, als wäre es Jahre her, dass ich das letzte Mal Karten spielen war.«

Sie betrachtete ihn liebevoll. »Es ist Jahre her, Paps. Komm, lass uns ins Haus gehen. Ich muss auch gleich wieder los. Holger möchte was mit mir besprechen.« Sie zwinkerte ihm zu. »Und ich muss noch alles für den Kartoffelsalat einkaufen.«

CHAPTER 2

Auf dem Weg nach Stralsund fiel Nora die Fernsehsendung ein, die sie neulich gesehen hatte. Ein evangelischer Pfarrer hatte darüber gesprochen, wie wichtig es sei, dass trauernde Hinterbliebene über ihren Verlust sprechen.

Ob er eine Ahnung davon hatte, wie anstrengend das für die Mitmenschen des Trauernden war? Wie schwierig es war, ständig signalisieren zu müssen, noch immer zuhören zu wollen, egal, wie gern man manchmal sagen würde, dass die Zeit alle Wunden heilt und es besser wird, erträglicher? Wie sehr das eigene Leben ins Hintertreffen geriet, wenn man jemandem zur Seite stand, der lange trauerte?

Nora wusste das alles, weil sie selbst noch immer trauerte und über ihre Mutter sprechen wollte. Weil sie befürchtete, sie könnte sonst vergessen werden, egal, wie absurd das war.

Sie konnte die mitleidigen und oft auch ungeduldigen Blicke manchmal nicht ertragen, dieses Wie-lange-ist-das-jetzt-eigentlich-her?, das niemand laut aussprach, aber immer in der Luft lag. Sie hatte häufig das Gefühl, sich entschuldigen zu müssen, weil sie immer noch traurig und niedergeschlagen war. Aber es würde besser werden, leichter, das hatte sie eben selbst gesagt, um ihren Vater aufzumuntern.

Sie ließ das Seitenfenster herunter.

Wie ihr Leben sich ändern würde, wenn sie ein Kind hätten.

Seit fast anderthalb Jahren maß sie Morgen für Morgen ihre Temperatur, zählte die fruchtbaren Tage und achtete auf ihre Ernährung. Von dem Sex »auf ärztlichen Rat« ganz zu schweigen. Davon, miteinander zu schlafen, weil sie Lust aufeinander hatten und die Stimmung ganz besonders romantisch war, waren sie inzwischen meilenweit entfernt. Es ging nur noch um Zeugung und Fortpflanzung und nicht mehr um Leidenschaft.

Wie lange würden sie das wohl noch durchhalten können?

Phil hatte sich noch nie beklagt, aber sie wusste, dass es auch ihm einiges abverlangte.

Sie war so in Gedanken, dass sie falsch abbog.

Als sie schließlich vor der Doppelhaushälfte hielt, die Holger und Steffi vor einem halben Jahr gekauft hatten, blieb sie noch einen Moment im Auto sitzen.

Montag würde sie einen Termin bei ihrer Ärztin machen. Und bis dahin versuchen, nicht mehr daran zu denken, was wäre, wenn.

(Continues…)


Excerpted from "Frühstück in den Dünen"
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