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CHAPTER 1
Die Kindheit, die Sie gern gehabt hätten
Wir alle neigen dazu, so zu erziehen, wie wir selbst erzogen worden sind. Doch wenn ich zum Zeitpunkt, als ich Mutter wurde, etwas wusste, dann dass ich die Fehler meiner Eltern nicht wiederholen wollte. Jeder von uns schleppt Traumata und Probleme aus der Kindheit mit sich herum, die sich auf die Beziehung zu unseren Kindern auswirken. Und wenn wir diese Traumata nicht verstehen, uns nicht gründlich darüber klar werden, was schiefgelaufen ist, sind wir dazu verdammt, die Fehler unserer Eltern zu wiederholen. Nichts unterläuft unsere aufrichtigsten Bemühungen, Kinder mithilfe von TRICK großzuziehen, so sehr wie das Versäumnis, sich mit unbewussten Verhaltensmustern auseinanderzusetzen. Wie Sie meiner Lebensgeschichte gleich entnehmen werden, bin ich nicht mit diesen grundlegenden Werten großgezogen worden. Ich musste sie auf die harte Tour lernen. Indem ich Ihnen meine Kindheitserfahrungen und meine Erziehungsvorstellungen schildere, werde ich Sie hoffentlich dazu inspirieren, sich mit Ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, damit Ihnen klar wird, was Ihnen vorgelebt wurde und inwiefern es mit TRICK zu tun hatte oder nicht.
Die Geschichte meines Erziehungskonzepts beginnt in einem Mietshaus auf der Lower East Side in New York. Dort wohnte ich in einem kleinen Einzimmerapartment zusammen mit meinen Eltern, jüdischen Einwanderern aus Russland, die mit nichts in diesem Land ankamen. Meine Mutter Rebecca stammte aus Krasnojarsk, Sibirien, aus einem Ort, der mir als kleinem Mädchen unvorstellbar kalt und weit weg vorkam. Ihren Schilderungen zufolge schneite es dort so stark, dass ihr gesamtes Haus unter dem Schnee begraben wurde. Ihre Familie musste Tunnel graben, um es verlassen zu können. Meine Mutter war unglaublich schön – das sagen alle, sobald sie Fotos von ihr sehen – und hatte einen schwer zuzuordnenden Akzent, eine seltsame Mischung aus Jiddisch und Russisch, den ich übernahm, aber ablegte, als ich begann, zur Schule zu gehen. Mein Vater Philip war Künstler und hatte sich auf Aquarelle und Kohlezeichnungen spezialisiert, er bekam sogar ein Stipendium vom Rensselaer Polytechnic Institute. Leider konnte er es nicht antreten, weil er meine Mutter und mich ernähren musste. Er war mit seiner Familie vor den Pogromen in und um Czernowitz geflohen, zu Fuß bis nach Wien gelaufen, wo man sich um eine Einreisegenehmigung in die Vereinigten Staaten bewerben konnte. Jahrelang nahm ich ihnen die Geschichte, so weit gelaufen zu sein, einfach nicht ab. Er erzählte oft, wie sie ihre gesamte Habe auf einem Karren verstaut und ihn gezogen hätten, bis ihre Hände bluteten. Ich hielt das für schwer übertrieben – bis ich über die syrische Flüchtlingskrise las, darüber, dass diese Menschen Hunderte von Kilometern marschiert sind, um dem Krieg zu entkommen. Ich bedaure immer noch, dass ich mich bei meinem Vater nie dafür bedankt habe.
Wir standen immer vor dem Ruin. Neben seiner Kunst hatte mein Vater nicht viel anzubieten, sodass wir nicht gerade den amerikanischen Traum lebten. Als die Gelegenheitsjobs versiegten, die uns über Wasser hielten, folgte er dem damals so beliebten »Go West!«-Aufruf und beschloss, sein Glück in Kalifornien zu versuchen. Dieser Bundesstaat versprach Sonne, Spaß und jede Menge Möglichkeiten, es sah so aus, als könnten wir dort ein ganz neues Leben beginnen. Leider lief es nicht so wie geplant.
Ich habe bis heute nicht verstanden, warum sich meine Eltern für Sunland-Tujunga entschieden, eine von der Landwirtschaft lebende Gemeinde ganz im Nordosten des San Fernando Valley. In der Ferne ragten die San Gabriel Mountains auf, und die Straßen waren breit und unasphaltiert. Ein paar Jahre später gründeten mein Bruder und ich eine Firma, die Autos befreite, die im Sand stecken geblieben waren. Das geschah oft, und ich war begeistert, jedes Mal einen Dollar zu verdienen. Überall gab es Weinstöcke und graue Steine, die von den Ausläufern der Berge herunterkullerten. Wir lebten in einem kleinen Haus, das aus ebenjenen Steinen errichtet worden war, und gleich dahinter floss der Tujuna Canyon Wash, ein Nebenfluss des Los Angeles River, zwischen dessen riesigen Uferfelsblöcken Klapperschlangen lauerten.
Mein Vater versuchte sich als Gebrauchsgrafiker und probierte sogar, in der Unterhaltungsindustrie Fuß zu fassen – leider ohne Erfolg. Irgendwann sah er sich gezwungen, einen Job als Steinmetz anzunehmen, den er sein Leben lang behielt. Noch heute stehen Hunderte Grabsteine, die er auf Friedhöfen in ganz Los Angeles geschaffen hat – sein einziges künstlerisches Vermächtnis. Die Arbeit war hart und schlecht bezahlt. Wenn er abends nach Hause kam, knallte er die Tür zu und stampfte wortlos in unserem kleinen Haus herum. Damit jagte er mir immer wieder aufs Neue Angst ein. Ich lernte, mich von ihm fernzuhalten, denn sonst landete ich im Auge eines Orkans. »Wer mit der Rute spart, verzieht das Kind« lautete ein Spruch, den er mir gegenüber häufig erwähnte, und das war sein voller Ernst. Meine Mutter tat ihr Bestes, mich vor seinen Wutanfällen in Schutz zu nehmen, und manchmal kaufte sie mir sogar meine Lieblingssüßigkeiten, grüne Götterspeise und Dosenaprikosen – seltene Belohnungen, die unser kleines Geheimnis blieben. Abends saß ich auf meinem Zimmer und hörte, wie sie sich stritten. Jedes, aber auch jedes Mal ging es um Geld.
Am schwersten fiel es mir, mit der orthodoxen Tradition zurechtzukommen, der zufolge Männer die wichtigsten Mitglieder einer Familie sind. Und nicht nur der Familie: Männer sind die wichtigsten Mitglieder der Gesellschaft. Das ganze Gemeindeleben dreht sich ausschließlich um Männer. Das ThoraKaddisch, das Totengebet, darf nur von Männern gesprochen werden. Die Thora, unsere Heilige Schrift, darf nur von Männern gehalten und gelesen werden. Wollte man also mit Gott reden, musste man ein Mann sein. Das ist vermutlich auch der Grund, warum orthodoxe Männer Gott jeden Morgen nach dem Aufwachen dafür danken, nicht als Frau geboren worden zu sein.
Ich verbrachte die Samstage in einer kleinen Synagoge, wo ich oben auf der Galerie mit den Frauen und Kindern zusammensaß. Dort war es immer sehr warm, trotzdem trugen die Frauen, wie von der Religion vorgeschrieben, langärmelige Kleidung und Kopfbedeckungen – konservativ und alles andere als bequem. Mir gefiel es da trotzdem, weil ich mit den anderen Kindern tuscheln konnte, während die Männer unter uns beteten. Sie schienen in einer ganz anderen Welt zu leben, eine, die mir für immer verwehrt bleiben würde.
Frauen haben nach jüdisch-orthodoxer Tradition eine ganz bestimmte Rolle zu erfüllen: die der Mutter. Das bedeutet, dass Frauen keine Bildung brauchen. Sie müssen nur wissen, wie man Mann und Kinder versorgt, wie man einen Haushalt führt. Mit zunehmendem Alter fiel mir auf, dass alle Frauen in meinem Umfeld eine untergeordnete Position innehatten. Meine Mutter musste stets auf meinen Vater hören. Die Frauen in der Synagoge gehorchten folgsam ihren Männern. Benjamin, mein Großvater väterlicherseits, ein Rabbi, bestimmte über die ganze Familie. Meine Aufgabe war es, mit achtzehn einen reichen Juden zu heiraten und viele Kinder zu bekommen. Dass ich andere Pläne hatte, führte zu einem Bruch mit meinem Großvater, der bis zu seinem Tod anhielt.
Die Bedeutung der Männer wurde mir höchst drastisch vor Augen geführt, als am 23. Mai 1945 mein Bruder Lee zur Welt kam, drei Tage vor meinem fünften Geburtstag. Meine Eltern brachten ihn an meinem Geburtstag mit nach Hause, und ich war wahnsinnig aufgeregt, als mein Vater meiner Mutter die Tür öffnete. Er hielt einen Korb, in dem mein frischgebackener kleiner Bruder lag. Ich hielt ihn für mein Geschenk, rannte auf ihn zu und wollte ihn aus der Nähe betrachten, als mein Vater mich an der Schulter packte und zurückstieß. »Komm dem Baby bloß nicht zu nahe!«, schimpfte er. »Du könntest es krank machen.« Ich erstarrte, war eher verwirrt als verletzt. Meine Mutter stand schweigend daneben. Dann sagte mein Vater etwas, das mich bis heute schockiert. »Dein Bruder Lee ist ein Junge«, bemerkte er nur, »und in unserer Familie sind Jungen wichtiger.« Er überbrachte mir diese Neuigkeit ohne Rücksicht auf meine Gefühle. Noch heute ist es für mich schwer vorstellbar, einem kleinen Kind so etwas zu sagen. Zunächst verstand ich gar nicht richtig, was er meinte – nämlich, dass ich von nun an nur noch an zweiter Stelle stand –, doch ich ahnte, dass es nichts Gutes bedeutete. Vor Lees Geburt war ich der Liebling der Familie gewesen, das Einzelkind im Zentrum der Aufmerksamkeit, auch wenn diese Aufmerksamkeit manchmal unerwünscht war. Doch nun sollte ich merken, was dieses Gefühl, unerwünscht zu sein, bedeutete. Lees Bedürfnisse gingen stets vor. Er bekam Dutzende von Spielsachen und ich nichts. Er bekam neue Anziehsachen, während ich die unserer New Yorker Cousinen auftragen musste. Er konnte so viel essen, wie er wollte, während ich gerügt wurde, sobald ich mir zu viel nahm.
Rückblickend wird mir klar, dass mir das weniger zu schaffen machte, als man denken könnte. Was mir half, damit klarzukommen, war die nie nachlassende Liebe meiner Mutter. Sie hatte viel Geduld, kritisierte mich nie und gab mir das Gefühl, wichtig zu sein, auch wenn mein Vater etwas ganz anderes sagte. Außerdem liebte ich Lee aufrichtig. Er war ein unheimlich niedliches Baby, und es machte Spaß, mit ihm zu spielen. Er war so etwas wie eine lebensgroße Puppe für mich, und ich genoss es, meiner Mutter zu helfen und mich in der Familie nützlich zu machen. Als ich älter wurde, erwartete man von mir, dass ich fast alles selbstständig tat, denn die Ressourcen waren begrenzt, und alle Aufmerksamkeit galt Lee. Doch selbst das war insgeheim ein Segen, weil mich so viel Selbstständigkeit unbewusst stärkte. Ich lernte, Wäsche zu waschen, das Geschirr zu spülen, das Haus zu putzen, für Lee zu kochen, Besorgungen zu erledigen, die Betten zu machen und die Böden und Teppiche zu reinigen (wir hatten keinen Staubsauger). Ich wuchs mit dem Gefühl auf, alles zu können, Lee dagegen wuchs in dem Glauben auf, bei allem Hilfe zu brauchen. Er wurde so sehr verwöhnt, dass er fast wie gelähmt war – eine unbeabsichtigte Folge von so viel Hingabe.
In der Schule wusste man meine Selbstständigkeit allerdings gar nicht zu schätzen. Gelernt wurde unter Zwang, wir hatten strikt zu gehorchen. Ich war von Anfang an eine rebellische Schülerin und wurde sogar manchmal von der Direktorin geschlagen. In 19 USBundesstaaten ist die Prügelstrafe nach wie vor legal, außerdem an sämtlichen Privatschulen mit Ausnahme der in New Jersey und Iowa (die meisten Leute wissen das gar nicht, aber das sollten sie!). Ich war also nur eines von vielen Kindern, die unter diesen unmenschlichen Erziehungsmethoden zu leiden hatten. Oft schienen die Lehrer keine Ahnung zu haben, was sie mit mir anstellen sollten. In der zweiten Klasse stieß mich meine Lehrerin unter ihr Pult, als sie mich dabei erwischte, wie ich, nachdem ich meine Aufgaben gelöst hatte, anderen Schülern half, statt blöd ins Leere zu starren. Und als ich meinen Klassenkameraden von unter dem Pult zuwinkte, wurde sie erst recht wütend. Ich bekam ein »Ungenügend« in »Betragen« – die einzige Note, auf die mein Vater wirklich Wert legte. Wie man sich sicherlich vorstellen kann, war er alles andere als begeistert.
Die Stadtbücherei war mein Zufluchtsort. Ich liebte es, mir meine Rollschuhe anzuziehen und zur winzigen Sunland-TujunaBücherei zu sausen, mich dort hinter einem riesigen Stapel Bücher zu verkriechen. Das Lesen schulte meine Fähigkeit zu eigenständigem Denken und gab mir Einblick in neue Welten, die so ganz anders waren als meine. Eines Sommers gewann ich sogar einen Preis dafür, mehr Bücher gelesen zu haben als jeder andere Schüler der Stadt. Ich hatte keinerlei Wahlfächer, Nachmittagskurse oder sonstige Veranstaltungen, aber die Schule lieh mir eine Geige, und ich übte brav jeden Abend auf meinem Zimmer. Musik war und ist eine große Leidenschaft von mir. In der fünften Klasse war ich gut genug fürs Schulorchester und hatte das Glück, alle vier Highschool-Jahre dabei sein zu dürfen. Schon damals schien ich zu begreifen, dass Musik wertvoll ist, wenn man arm ist.
1948 bekamen meine Eltern einen weiteren Sohn, David, der für noch mehr finanziellen Druck sorgte. Er war ein wunderschönes Baby mit hellblondem Haar und knallblauen Augen. Ich weiß noch, dass er sehr neugierig war und viel weinte. Meine Mutter hatte mit drei Kindern alle Hände voll zu tun und konnte sich nicht immer um Davids Bedürfnisse kümmern. Ich tat mein Bestes, um ihr zu helfen. Ich spielte mit ihm, trug ihn in Haus und Garten herum. Ich zeigte ihm meinen Lieblingspfefferbaum am Bach und versprach, ihm bald beizubringen, hineinzuklettern.
Als David sechzehn Monate alt war, spielte er eines Tages auf dem Küchenboden und fand ein Fläschchen mit Aspirintabletten. Er hielt es für ein Spielzeug und begann, es zu schütteln. Dutzende von Tabletten kullerten heraus (damals stellte Bayer noch keine Sicherheitsverschlüsse her). Er schluckte sie, noch bevor meine Mutter eingreifen konnte. Sie rief den Hausarzt an, und die Sprechstundenhilfe sagte ihr, sie solle David ins Bett legen und nach ein paar Stunden nach ihm schauen (wir hatten nur ein Auto, mit dem mein Vater bei der Arbeit war). Ich fürchte, die Sprechstundenhilfe hatte deshalb keinen besseren Vorschlag, weil wir einen Klinikaufenthalt nicht hätten bezahlen können. Meine Mutter tat wie geheißen. Wenige Stunden später wurde David wach und übergab sich.
Wir brachten ihn dann ins nächstgelegene Krankenhaus, wo er den Magen ausgepumpt bekam und gleich wieder entlassen wurde. Sein Zustand verschlechterte sich. Wir fuhren noch mal hin. Es hieß, es seien keine Betten mehr frei (mit anderen Worten, wir waren nicht kreditwürdig). Dann brachten wir ihn ins Huntington Memorial, wo man ebenfalls behauptete, kein Bett frei zu haben, und anschließend in ein weiteres Krankenhaus, ins St. Luke's. Da war er schon in so einem dramatischen Zustand, dass die Ärzte einwilligten, ihn zu behandeln. Doch es war bereits zu spät, David sollte noch in derselben Nacht sterben. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, ist da vor allem dieser heftige Schmerz über seinen Verlust, der wie eine dunkle Wolke über unserer Familie hing. Meine Eltern sollten sich nie mehr richtig davon erholen, am allerwenigsten meine Mutter. Davids Tod hat mich geprägt wie nichts sonst in meiner Kindheit. Mit einer Ausnahme.
Wenige Monate nach Davids Tod wurde mein Bruder Lee, der damals fünf war, ohnmächtig und brach auf dem Wohnzimmerboden zusammen. Meine Mutter hob ihn hoch und schüttelte ihn, doch er wachte nicht auf. Innerhalb weniger Minuten wurde mir ebenfalls schwummrig. Da war meine Mutter klug genug, aus dem Haus zu rennen, befahl mir allerdings, zu bleiben, wo ich war. »Leg dich aufs Bett, ich komm' gleich und hole dich«, sagte sie und eilte mit Lee nach draußen. Mir war schwindlig, doch ich weigerte mich, auf sie zu hören. Schon damals war ich misstrauisch. Ich stützte mich an den Wänden ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und kaum hatte ich das Haus verlassen, legte ich mich auf den Kies im Vorgarten und kam langsam wieder zu mir. Ich sah, wie meine Mutter mit Lee auf unserer betonierten Auffahrt saß. Auch er war wieder aufgewacht. Trotzdem wussten wir immer noch nicht, was los war. Meine Mutter rief einen Nachbarn an, und nach einigen Stunden stellte sich heraus, dass Kohlenmonoxid aus unserer kaputten Gastherme gekommen war. Lee war der Kleinste und Empfindlichste, sodass er zuerst das Bewusstsein verloren hatte. Ich wäre die Nächste gewesen, und wäre ich auf dem Bett liegen geblieben wie befohlen, hätte ich nicht überlebt.
Dieser Vorfall sowie Davids tragischer Tod haben mich einen Weg einschlagen lassen, der mein weiteres Leben stark geprägt hat. Dieser Weg hat mich in meinem Entschluss bestärkt, in jedem Fall eigenständig zu denken. Von da an stellte ich stets logische Fragen, wenn mir etwas komisch vorkam, auch wenn das bedeutete, dass ich meinen Eltern oder Lehrern widersprechen musste. Ich konnte einfach nicht anders. Denn tat ich das nicht, bestand die Möglichkeit, dass mir etwas passierte, ja dass ich im schlimmsten Fall sogar starb. Ich warf meiner Mutter ihren Gehorsam nicht vor. Es war nicht ihre Schuld, dass David gestorben ist, genauso wenig, dass sie in einem Moment offensichtlicher Gefahr nicht daran gedacht hat, uns alle aus dem Haus zu bringen. Auf eine gewisse Art war sie aber doch schuldig – zumindest als Kind sah ich das so. Sie war ein Opfer von Armut, eine ungebildete Einwanderin. Sie hatte nie gelernt, etwas zu Ende zu denken, und den Autoritäten blind vertraut. Sie war in dieser Tradition erzogen worden – wie so viele Menschen damals. Aber bloß zu gehorchen, ohne das, was man gesagt bekommt, kritisch zu hinterfragen, hat zum größtmöglichen Verlust geführt, den man als Eltern erleben kann. Ich beschloss, ein anderes Leben zu führen. Ich wünschte mir ein Leben, in dem Jungen und Mädchen gleichberechtigt sind. Ich wünschte mir ein Leben, in dem ich informierte Entscheidungen fällen könnte und nicht ständig Geldsorgen haben müsste. Ich wollte der Welt, in die ich hineingeboren worden war, entfliehen, und nahm mir vor, das zu schaffen, indem ich eigenständig dachte.
(Continues…)
Excerpted from "Panda Mama"
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