Das ist bei uns nicht möglich: Roman

Buzz Windrip, für seine Gegner ein „ungebildeter Lügner mit idiotischer Weltanschauung“ und ein gefährlicher Populist, will Präsidentschaftskandidat werden. Er gibt vor, sich für die kleinen Leute einzusetzen, und verspricht, „aus Amerika wieder ein stolzes Land zu machen“. Trotz völlig unglaubwürdiger Versprechen laufen ihm die Wähler zu, und er zieht ins Weiße Haus ein. Sogleich regiert er wie ein absolutistischer Herrscher, beschneidet die Freiheiten der Minderheiten, legt sich mit Mexiko an und lässt seine Kritiker rabiat verfolgen. Einer davon ist der liberale Zeitungsherausgeber Doremus Jessup, der sich nicht mundtot machen lassen will. Sinclair Lewis wusste durch seine Frau Dorothy Thompson, Auslandskorrespondentin in Berlin, über den Aufstieg der Nazis Bescheid. In den USA beobachtete er, wie die Populisten nach Wirtschaftskrise und Sozialreformen des New Deal immer weiter an Einfluss gewannen. Der radikale Senator Huey Long versuchte Präsident Roosevelt aus dem Amt zu drängen, bevor Long 1935 einem Attentat zum Opfer fiel. Lewis diente er als Vorbild für den fanatischen Verführer Buzz Windrip in seinem Roman.

Lewis’ Roman aus dem Jahr 1935 führt einen Antihelden vor, der mit seinen Hetzreden die Begeisterung unzufriedener Wähler entfacht. Durch seine Lügen und eine Rhetorik des Populismus und der Ressentiments wird er Präsident der Vereinigten Staaten. Das klingt vertraut? 1935 in den USA ein aufsehenerregender Bestseller, heute wieder eine Sensation und aktuell wie selten zuvor. In der Übersetzung des bekannten Exilautors und Kleist-Preis-Trägers Hans Meisel – mit einem Nachwort von Jan Brandt. 

„Eine unheimliche Vorwegnahme der aktuellen Ereignisse.“ The Guardian. „Ein Populist im Weißen Haus? Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis hat es vor 80 Jahren durchgespielt.“ DIE ZEIT.

„Sinclair Lewis ist wieder aktuell.“ der Freitag.

„Ein Meister des absoluten Realismus." Bob Dylan.

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Das ist bei uns nicht möglich: Roman

Buzz Windrip, für seine Gegner ein „ungebildeter Lügner mit idiotischer Weltanschauung“ und ein gefährlicher Populist, will Präsidentschaftskandidat werden. Er gibt vor, sich für die kleinen Leute einzusetzen, und verspricht, „aus Amerika wieder ein stolzes Land zu machen“. Trotz völlig unglaubwürdiger Versprechen laufen ihm die Wähler zu, und er zieht ins Weiße Haus ein. Sogleich regiert er wie ein absolutistischer Herrscher, beschneidet die Freiheiten der Minderheiten, legt sich mit Mexiko an und lässt seine Kritiker rabiat verfolgen. Einer davon ist der liberale Zeitungsherausgeber Doremus Jessup, der sich nicht mundtot machen lassen will. Sinclair Lewis wusste durch seine Frau Dorothy Thompson, Auslandskorrespondentin in Berlin, über den Aufstieg der Nazis Bescheid. In den USA beobachtete er, wie die Populisten nach Wirtschaftskrise und Sozialreformen des New Deal immer weiter an Einfluss gewannen. Der radikale Senator Huey Long versuchte Präsident Roosevelt aus dem Amt zu drängen, bevor Long 1935 einem Attentat zum Opfer fiel. Lewis diente er als Vorbild für den fanatischen Verführer Buzz Windrip in seinem Roman.

Lewis’ Roman aus dem Jahr 1935 führt einen Antihelden vor, der mit seinen Hetzreden die Begeisterung unzufriedener Wähler entfacht. Durch seine Lügen und eine Rhetorik des Populismus und der Ressentiments wird er Präsident der Vereinigten Staaten. Das klingt vertraut? 1935 in den USA ein aufsehenerregender Bestseller, heute wieder eine Sensation und aktuell wie selten zuvor. In der Übersetzung des bekannten Exilautors und Kleist-Preis-Trägers Hans Meisel – mit einem Nachwort von Jan Brandt. 

„Eine unheimliche Vorwegnahme der aktuellen Ereignisse.“ The Guardian. „Ein Populist im Weißen Haus? Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis hat es vor 80 Jahren durchgespielt.“ DIE ZEIT.

„Sinclair Lewis ist wieder aktuell.“ der Freitag.

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Buzz Windrip, für seine Gegner ein „ungebildeter Lügner mit idiotischer Weltanschauung“ und ein gefährlicher Populist, will Präsidentschaftskandidat werden. Er gibt vor, sich für die kleinen Leute einzusetzen, und verspricht, „aus Amerika wieder ein stolzes Land zu machen“. Trotz völlig unglaubwürdiger Versprechen laufen ihm die Wähler zu, und er zieht ins Weiße Haus ein. Sogleich regiert er wie ein absolutistischer Herrscher, beschneidet die Freiheiten der Minderheiten, legt sich mit Mexiko an und lässt seine Kritiker rabiat verfolgen. Einer davon ist der liberale Zeitungsherausgeber Doremus Jessup, der sich nicht mundtot machen lassen will. Sinclair Lewis wusste durch seine Frau Dorothy Thompson, Auslandskorrespondentin in Berlin, über den Aufstieg der Nazis Bescheid. In den USA beobachtete er, wie die Populisten nach Wirtschaftskrise und Sozialreformen des New Deal immer weiter an Einfluss gewannen. Der radikale Senator Huey Long versuchte Präsident Roosevelt aus dem Amt zu drängen, bevor Long 1935 einem Attentat zum Opfer fiel. Lewis diente er als Vorbild für den fanatischen Verführer Buzz Windrip in seinem Roman.

Lewis’ Roman aus dem Jahr 1935 führt einen Antihelden vor, der mit seinen Hetzreden die Begeisterung unzufriedener Wähler entfacht. Durch seine Lügen und eine Rhetorik des Populismus und der Ressentiments wird er Präsident der Vereinigten Staaten. Das klingt vertraut? 1935 in den USA ein aufsehenerregender Bestseller, heute wieder eine Sensation und aktuell wie selten zuvor. In der Übersetzung des bekannten Exilautors und Kleist-Preis-Trägers Hans Meisel – mit einem Nachwort von Jan Brandt. 

„Eine unheimliche Vorwegnahme der aktuellen Ereignisse.“ The Guardian. „Ein Populist im Weißen Haus? Literaturnobelpreisträger Sinclair Lewis hat es vor 80 Jahren durchgespielt.“ DIE ZEIT.

„Sinclair Lewis ist wieder aktuell.“ der Freitag.

„Ein Meister des absoluten Realismus." Bob Dylan.


Product Details

ISBN-13: 9783841213730
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 03/22/2017
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 448
File size: 4 MB
Language: German

About the Author

About The Author

Sinclair Lewis (1885–1951) reiste durch Europa, besuchte das Deutschland der erstarkenden Nazis, arbeitete als Journalist und Übersetzer in New York und als Privatsekretär von Jack London. Für seine scharfsichtigen sozialkritischen Romane erhielt er 1930 als erster Amerikaner den Nobelpreis für Literatur.

Hans Meisel (1900–1991), Autor des Romans „Torstenson. Entstehung einer Diktatur“ (Kleist-Preis 1927), war im amerikanischen Exil Thomas Manns Sekretär, später Professor of Political Science an der University of Michigan. Jan Brandt, geboren 1974 in Leer (Ostfriesland), studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Köln, London und Berlin. In München besuchte er die Deutsche Journalistenschule, heute schreibt er u. a. regelmäßig für Die Zeit. Sein Roman „Gegen die Welt“ stand 2011 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurde mit dem Nicolas-Born-Debütpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Buch „Stadt ohne Engel. Wahre Geschichten aus Los Angeles“.
Sinclair Lewis (1885–1951) reiste durch Europa, besuchte das Deutschland der erstarkenden Nazis, arbeitete als Journalist und Übersetzer in New York und als Privatsekretär von Jack London. Für seine scharfsichtigen sozialkritischen Romane erhielt er 1930 als erster Amerikaner den Nobelpreis für Literatur.
Hans Meisel (1900–1991), Autor des Romans „Torstenson. Entstehung einer Diktatur“ (Kleist-Preis 1927), war im amerikanischen Exil Thomas Manns Sekretär, später Professor of Political Science an der University of Michigan.
Jan Brandt, geboren 1974 in Leer (Ostfriesland), studierte Geschichte und Literaturwissenschaft in Köln, London und Berlin. In München besuchte er die Deutsche Journalistenschule, heute schreibt er u. a. regelmäßig für Die Zeit. Sein Roman „Gegen die Welt“ stand 2011 auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurde mit dem Nicolas-Born-Debütpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien sein Buch „Stadt ohne Engel. Wahre Geschichten aus Los Angeles“.

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Das Ist Bei Uns Nicht Moglich


By Sinclair Lewis, Hans Meisel

Aufbau Digital

Copyright © 2017 Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
All rights reserved.
ISBN: 978-3-8412-1373-0


CHAPTER 1

Der Speisesaal des Hotels Wessex, berühmt durch seinen Goldstuck und das Panorama ferner Berge, die man auf den Wänden abgemalt erblicken konnte, sah an diesem Abend nur Rotarier, die Rotarier von Fort Beulah. Es war ein ›Damenessen‹.

Hier, in Vermont, war das keine ganz so malerische Angelegenheit wie weiter westlich in der riesigen Prärie; doch immerhin, es gab schon ungewöhnliche Momente, wie die Darbietung der Herren Medary Cole (Getreidemühle, Futtermittel) und Louis Rotenstern (Maßschneiderei, Bügeln und Reinigen), die dem Publikum verrieten, sie seien die historischen zwei Ur-Vermonter Brigham Young und Joseph Smith, als welche sie die anwesenden Damen ohne Ausnahme durch freimütige Scherze über Vielweiberei in reizende Verzweiflung stürzten. Doch der eigentliche Anlass der Zusammenkunft war bitterernst, so ernst, wie alles in Amerika jetzt nach den sieben mageren Jahren war, die 1929 angefangen hatten. Der Weltkrieg 1914/18 war gerade so viel Jahre her, dass die Knaben, die in ihm geboren waren, jetzt ins College gehen konnten – oder in einen neuen Krieg, in irgendeinen guten alten Krieg, der gerade zur Hand wäre.

Ernst also, oder wenigstens nicht ausgesprochen heiter, lauschten die Rotarier dem Brigadegeneral a. D. Herbert Y. Edgeways, USA, der sich zornig mit dem Thema ›Frieden durch Verteidigung – Millionen für Waffen, keinen Cent für Steuern‹ befasste, und Mrs. Adelaide Tarr Gimmitch, mit deren Namen der kühne Feldzug gegen das Frauenwahlrecht verbunden war, den sie im Jahre 19 unternommen hatte, sowie die geniale Eingebung, im Kriege das gesamte amerikanische Expeditionskorps vor dem Sumpf französischer Absinthcafés durch Zusendung von zehntausend Dominospielen bewahrt zu haben.

Und welcher Patriot mit einer Spur von sozialem Gefühl konnte über ihren jüngsten Vorschlag die Nase rümpfen, der leider nicht entfernt die Anerkennung gefunden hatte, die er verdiente, obwohl sein Ziel nichts Geringeres als die Reinhaltung des amerikanischen Heims vor schlechter Filmkunst durch ein Arbeitsverbot für alle Personen, Schauspieler, Direktoren oder Kameramänner anstrebte, die a) geschieden, b) im Ausland geboren waren – Großbritannien ausgenommen, von dessen Königin Mary Mrs. Gimmitch sehr hoch dachte – oder c) den Eid auf das Sternenbanner, die Verfassung, die Bibel und alle sonstigen typisch amerikanischen Einrichtungen verweigerten.

Das alljährliche Damenessen war ein schönes Bild – die Blüte von Fort Beulah hatte sich versammelt. Nahezu alle Damen und mehr als die Hälfte der Herren trugen Abendkleid und Smoking. Es ging ein Gerücht, dass sich die ›Elite‹ vor dem Essen unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Zimmer 289 Cocktails genehmigt hatte. Die Tische, hufeisenförmig angeordnet, strahlten im Kerzenschein, und in ihm glitzerten die Kristallschälchen mit Süßigkeiten und etwas altbackenen Mandeln, Mickymausfiguren, Rotarierräder aus Messing, und kleine seidene Fähnchen der Nation steckten in vergoldeten hartgekochten Eiern. Von der Wand herab forderte ein wallendes Banner auf: ›Bediene dich selbst!‹, und die Speisenfolge: Sellerie, Tomatensuppe, gedünsteter Schellfisch, Hühnercroquettes mit Erbsen und Tutti-frutti-Eis, rechtfertigte den alten Ruf des Hotels.

Gebannt hörte alles den Sätzen zu, mit denen General Edgeways eine zugleich männliche und mystische Rhapsodie der Vaterlandsliebe schloss: »... denn diese Vereinigten Staaten trachten, als einzige Großmacht der Welt, nicht nach fremden Eroberungen. Unser sehnlichster Wunsch ist, in drei Deubels Namen, in Ruhe gelassen zu werden! Mit Europa verbindet uns nichts als die Bemühung, aus den rohen und ungebildeten Massen, die man uns gütigst überlassen hat, halbwegs kultivierte Menschen zu machen. Das aber darf uns, wie ich Ihnen bewiesen habe, nicht daran hindern, an die Verteidigung unsrer Küsten zu denken. Es gibt genug ausländische Abenteurerbanden, die sich den stolzen Namen ›Regierung‹ beilegen und den Blick, einen neidischen Blick, auf unsere unerschöpflichen Gruben und ragenden Wälder, auf unsere titanischen Städte, auf die unendliche Weite unserer Felder werfen.

Zum ersten Mal in der Geschichte muss ein großes Volk sich rüsten, nicht zur Eroberung – nicht aus Hass – nicht zum Krieg – nein, für den Frieden! Möge Gott verhüten, dass es je so weit komme, aber wenn die andern Völker unsere Warnungen auch weiterhin so in den Wind schlagen wie bisher, dann wird, als wären die sprichwörtlichen Drachenzähne gesät, ein gewappneter, furchtloser Krieger aus jedem Fußbreit Boden dieses Landes springen, das in harter Arbeit von unseren Vätern gerodet und verteidigt wurde, von den Pionieren, deren schwertgegürtete Ebenbilder wir sein werden – oder aber wir werden nicht mehr sein.«

Zyklonischer Beifall; Professor Emil Staubmeyer, Schulinspektor, schoss auf: »Unser General – hipp, hipp, hurra!«

Alle Zuhörermienen schalteten sich auf Glanz um über den General und Mr. Staubmeyer – alle bis auf die einiger verschrobener Pazifistinnen und die eines gewissen Doremus Jessup, Herausgeber des Daily Informer von Fort Beulah. Er, der im Ort als ›tüchtiger Bursche, aber Zyniker‹ galt, flüsterte jetzt seinem Freunde, dem Reverend Falck, zu: »Unsre Pionierväter haben eine ziemlich dürftige Arbeit geleistet, indem sie in harter Arbeit einige Fußbreit Boden in Arizona rodeten.«

Nun aber kam die Ansprache von Mrs. Adelaide Tarr Gimmitch, im ganzen Land bekannt als ›Tante Onkelchen‹, weil sie während des Weltkriegs dafür eingetreten war, den amerikanischen Soldaten ›Onkelchen‹ zu nennen. Sie hatte ihm Dominospiele geschickt, vorher aber hatte sie einen noch viel kühneren Einfall: Jeder Frontsoldat sollte seinen Kanarienvogel im Käfig haben! Man bedenke, wie viel Erinnerung an Heim und Mutter der kleine Kamerad bedeutet! Süßer kleiner Zwitscherer! Und wer weiß – vielleicht konnte man Kanarienvögel zur Läusejagd abrichten?

Besessen von ihrer Eingebung, stürmte Adelaide Tarr Gimmitch ins Büro des Generalquartiermeisters, doch dieser dumpfe Bürokrat schlug ihr (oder vielmehr den armen Jungens, die einsam in den Schlammtrichtern lagen) die Bitte ab, indem er feige und undeutlich irgendwas von Transportschwierigkeiten murmelte. Es wird berichtet, dass Adelaide Tarr Gimmitch durch ihre Brille hindurch, der Jungfrau von Orléans vergleichbar, wahre Feuerströme auf den Etappenhengst schoss, während sie ›ihm Dinge sagte, die er bis an sein Lebensende nicht mehr vergaß‹!

Damals hatten Frauen ihres Schlages eine gute Zeit. Sie konnten ihre Männer, oder wenn nicht ihre eigenen, dann die Männer anderer Frauen, in den Krieg schicken. Mrs. Gimmitch redete jeden Soldaten, den sie auf der Straße traf – und sie achtete darauf, dass sie jeden traf, der sich in eine Reichweite von zwei Häuserblocks mit ihr wagte –, mit ›mein einzig geliebter Junge‹ an. Es heißt, dass sie einen Oberst der Marine-Infanterie, der aus dem Mannschaftsstand hervorgegangen war, solcherart grüßte, und er antwortete: »Wir einzig geliebten Jungen scheinen eine Menge Mütter zu bekommen in diesen Tagen. Mir persönlich wären ein paar nette Freundinnen lieber.« Und die Fabel berichtet weiter, dass die Antwort Adelaides nach der Armbanduhr des Offiziers eine Stunde und siebzehn Minuten währte, die Hustenpausen abgerechnet.

Aber die Liste ihrer Verdienste war nicht auf prähistorische Zeiten begrenzt. Nach dem Kriege verfocht sie erst und bekämpfte dann die Prohibition; auch gehörte sie (nachdem man ihr das Frauenwahlrecht aufgezwungen hatte) dem Wahlausschuss der Republikanischen Partei im Jahre 32 an und sandte dem Präsidenten Hoover täglich ein längeres Telegramm mit Ratschlägen.

Obwohl selbst unglücklicherweise kinderlos, sprach und schrieb sie mit großem Erfolg über Kindererziehung, und von ihr rührte der Band Säuglingslyrik her, der die unsterblichen Zeilen enthielt:

›Alle kleinen Dickerchen Machen schon ihr Nickerchen ...‹


Doch immer, ob das 1917 oder 1936 war, blieb sie eine rabiate ›Tochter der amerikanischen Revolution‹.

Diese Töchter (sinnierte der Zyniker Doremus Jessup) waren eine reichlich verworrene Sache, so verworren wie Theosophie, die Relativität der Dinge und indische Fakirtricks. Die Mitglieder dieser großen Vereinigung verbrachten die Hälfte ihrer Tage damit, sich ihrer Abstammung von den aufständischen amerikanischen Kolonisten von 1776 zu rühmen, und die übrige Hälfte erschöpfte sich in Angriffen auf alle Zeitgenossen, welche auf genau die Prinzipien schworen, für die jene Vorfahren stritten.

Die ›Töchter‹ (fand Doremus) waren mit der Zeit so sakrosankt geworden wie kaum die katholische Kirche oder die Heilsarmee. Und hierzu muss bemerkt werden, es ist ihnen gelungen, an Komik den unselig verblichenen Ku-Klux-Klan zu übertreffen, und das, ohne, wie dieser, Narrenkappen und Nachthemden zu tragen.

Wurde also Mrs. Adelaide Tarr Gimmitch zur Hebung der militärischen Moral aufgerufen oder dazu, litauische Chorvereinigungen davon zu überzeugen, ihr Programm mit dem Lied ›Columbia, du Perle des Ozeans‹ zu beginnen, immer war sie eine ›Tochter‹, und man konnte das auch feststellen, während man ihr mit den Rotariern von Fort Beulah an diesem schönen Maiabend lauschte.

Sie war klein, untersetzt und stupsnasig. Ihr üppiges graues Haar (sie war sechzig Jahre alt, genauso alt wie der sarkastische Jessup) quoll unter ihrem jugendlich geschwungenen Livorneser Strohhut hervor; sie trug ein Kleid aus bedruckter Seide und eine riesige Glasperlenkette; und auf ihrem reifen Busen erblühte, von Maiblümchen umrankt, eine Orchidee. Mrs. Gimmitch war allen anwesenden Männern hold. Sie schaukelte, sie gaukelte, während sie mit einer Stimme voll Flötenwohllaut und süß wie Schokoladensauce ihre Ansprache über das Thema hielt: ›Wie ihr Jungs uns Mädels helfen könnt.‹

Die Frau, so führte sie aus, hat mit dem Stimmrecht nichts zu schaffen. Wenn das Land damals, 1919, auf sie gehört hätte, wäre ihm all dieser Jammer erspart geblieben. Nein und wieder nein, kein Stimmrecht! Die Frau muss ihren Platz am Herdfeuer wieder einnehmen. Der große Schriftsteller und Gelehrte Arthur Brisbane hat diese Forderung unübertrefflich formuliert: ›Die einzige Pflicht der Frau ist, sechs Kinder zu kriegen.‹

Hier gab es eine peinliche, entsetzliche Unterbrechung.

An der Störung war Lorinda Pike schuld, die junge Witwe eines bekannten unitarischen Predigers und Leiterin einer hochherrschaftlichen Pension, die sich ›Beulah-Tal-Taverne‹ nannte. Lorinda gehörte zu den trügerischen Madonnen mit ruhigen Augen, glatt kastanienbraunem, in der Mitte gescheiteltem Haar; dazu kam eine sanfte Stimme, von fröhlichem Lachen häufig durchwirkt. Doch in der Öffentlichkeit erklang diese Stimme recht metallisch, und die sanften Augen konnten überraschend zornig blitzen. Sie war der Schrecken, die Plage des Orts. Es gab nichts, um das sie sich nicht kümmerte; die Versammlungsleiter zitterten vor ihr. Sie wetterte gegen die zu hohen Stromgebühren und gegen die zu niedrigen Gehälter der Volksschullehrer, gegen die Zusammensetzung des Zensurrats für die Bibliotheken. Und jetzt, als alles eitel Sonnenschein hätte sein sollen, störte sie die andächtige Stimmung mit dem Zwischenruf:

»Drei Hochs für Brisbane! Aber wenn so 'n armes Huhn sich keinen angeln kann? Muss sie dann ihre sechs Kleinen unehelich in die Welt setzen?«

Da bäumte sich das alte Schlachtross, Gimmitch, Veteranin aus hundert Kämpfen gegen subversive Rote, Meisterin in der Kunst, sozialistische Zwischenrufer abzutöten und sie dem Gelächter preiszugeben, auf:

»Meine liebe, gute Dame«, rief sie, »wenn das arme Huhn, wie Sie sich auszudrücken beliebten, auch nur einen Funken weiblicher Anmut besitzt, dann wird es sich keinen Mann zu ›angeln‹ brauchen, dann werden die Männer vor ihrer Haustür Schlange stehen!« (Gelächter und Händeklatschen.)

Der ordinäre Zwischenruf hatte in Frau Adelaide die edelsten Instinkte entfesselt. Sie gaukelte nicht mehr. Sie wurde heilig ernst.

»Ich will euch sagen, liebe Freunde, warum unser Land so leiden muss: weil es ein Land von Egoisten ist! Hundertundzwanzig Millionen zählen wir, und davon denken fünfundneunzig Prozent nur an sich, anstatt den verantwortlichen Wirtschaftsführern bei ihrem schweren Kampf zu helfen, den Wohlstand wiederherzustellen! Stattdessen korrupte und selbstsüchtige Gewerkschaften! Geldscharrer und sonst nichts! Ihr einziges Ziel: ihren unglücklichen Unternehmern noch mehr Löhne abzupressen, bei der Verantwortung, die sie zu tragen haben.

Diesem Lande tut nur eins not: Disziplin! Der Frieden ist ein großer Traum, doch manchmal, wer weiß, ist er flüchtig wie der Pfeifenrauch ... Und nun muss ich euch etwas erschrecken – doch ich hoffe, ihr wollt von mir Wahrheit hören und nicht sentimentales Gewäsch! Nun – kann sein, wir brauchen wieder einmal einen richtigen Krieg, um Disziplin zu lernen! Was soll uns all der hochnäsige Intellektualismus! Bücherwissen mag in engen Grenzen nützlich sein, doch Hand aufs Herz, ist dieser ganze Geistbetrieb nicht etwas reichlich unernst für ausgewachsene Menschen? Nein! Was uns nottut, was dieses große Land braucht, um seinen Rang im Konzert der Nationen zu behaupten, ist, noch einmal, Disziplin – Willensstärke, kurz: Charakter!«

Artig wandte sie sich dann an General Edgeways und lachte: »Sie haben uns gesagt, wie wir den Frieden sichern müssen – nun aber mal Farbe bekannt, General, hier unter uns Rotariern: Meinen Sie, Hand aufs Herz, mit Ihrer großen Erfahrung nicht, wenn ein Volk geldtoll geworden ist, wenn seine Gewerkschaften höhere Einkommenssteuern fordern, damit die Sparsamen und Fleißigen auch noch die Faulpelze und Tunichtgute mit durchschleppen müssen, wenn es mit dem einen Volk so steht – dass vielleicht, nur vielleicht, dann ein Krieg nicht geradezu notwendig wäre? Heraus mit der Sprache, mong General!«

Sie setzte sich dramatisch nieder, und das Geräusch des Händeklatschens erfüllte die Luft wie das Rauschen vieler Flügel. Stürmische Rufe: »Mut, General! Gestehen Sie!« – »Sie sind durchschaut!« – »Decken Sie Ihre Karten auf!«, oder ein gutmütiges: »Was, die ist richtig, General!«

Der General war klein und kugelrund, sein rotes Gesicht glatt wie ein Kinderpopo und verziert durch eine goldene Brille. Allein, sein Schnauben war das echt soldatische und sein Gelächter mannhaft.

»In Gottes Namen!«, brüllte er, emporschnellend und Mrs. Gimmitch schalkhaft mit dem Zeigefinger drohend. »Da ihr Rasselbande euch nun mal verschworen habt, mir altem Haudegen sein innerstes Geheimnis zu entreißen, will ich es nur gleich gestehen: Der Krieg ist ein abscheulich Ding, doch – es gibt Schlimmeres! Ja, meine Freunde, weit Schlimmeres. Zum Beispiel einen sogenannten Frieden, in dem die Arbeiterschaft von der Idee eines roten Russlands verseucht ist! Einen Frieden, in dem Hochschullehrer, Journalisten und bekannte Schriftsteller um die Wette an unserer großen alten Verfassung herumnörgeln! Einen Frieden, in dem das Volk schlaff, feige, gierig und unkriegerisch geworden ist! Nein, solch ein Frieden ist weit schlimmer als der schlimmste Krieg!

Meine Damen und Herren, mir kommt es jetzt so vor, als hätte ich Ihnen in meiner Rede reichlich viele Ladenhüter aufgetischt, von den Vereinigten Staaten, die nichts als Frieden wünschen und ja keine Verwicklungen mit fremden Staaten. Quatsch! Ich wollte, dass wir vor der ganzen Welt erklären: So, Kinder, und nun einmal Schluss mit dem moralischen Gewäsch. Wir haben die Macht, und die trägt ihre Rechtfertigung in sich selbst!

Ich bitte, mich recht zu verstehen, ich billige durchaus nicht alles, was in Deutschland und Italien geschah und geschieht. Aber alles, was recht ist: Diese Nationen haben uns nichts vorgemacht, sondern ehrlich erklärt: ›Soundso richten wir uns ein, und das geht euch ja wohl nichts an. Wir sind erwacht und stark geworden, und der Starke hat nicht nur das Recht, nein, auch die Pflicht, von seiner Kraft Gebrauch zu machen!‹ Dürfte schwer sein, was dagegen einzuwenden. Niemand auf Gottes weiter Welt liebt den Schwächling – nicht einmal dann, wenn er selber einer ist!

Aber seid getrost, ich habe gute Nachrichten für euch! Das Evangelium der Kraft findet unter unserer Jugend immer zahlreichere Jünger. Woher käme es sonst, dass in diesem Jahre 1936 alle Colleges, bis auf nicht ganz sieben Prozent, über Wehrsportvereine nach dem Vorbild der Nazis verfügen? Was bedeutet es, dass die jungen Männer und die Mädchen das härteste Training, das ihnen vor Jahren aufgezwungen werden musste, heute als ihr Recht fordern? Ja, auch die Mädchen! In ihren Fächern, Gasschutz, Krankenpflege, geben sie an Fanatismus ihren Brüdern nichts nach! Und alle wirklich denkenden Professoren sind mit ihnen!


(Continues...)

Excerpted from Das Ist Bei Uns Nicht Moglich by Sinclair Lewis, Hans Meisel. Copyright © 2017 Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin. Excerpted by permission of Aufbau Digital.
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