Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hoffen, Zeit zu leben.

Die schicksalhafte Familiengeschichte in Zeiten der Entscheidung - berührend, lebensnah, historisch genau.
Seit Generationen leben die Isings im Wolfsburger Land, fernab der Welt und doch mitten in Deutschland. Alles verändert sich für die Familie, als auf Hitlers Befehl eine gigantische Automobilfabrik entstehen soll, um den "Volkswagen" zu bauen. Kinderärztin Charly und Filmproduzentin Edda, Autoingenieur Georg und Parteisoldaten Horst – sie alle müssen sich entscheiden: Mache ich mit? Beuge ich mich? Oder widersetze ich mich? Mut, Verzweiflung, Verrat und Liebe im Zeichen des Nazi-Regimes: bewegend schildert Bestseller-Autor Peter Prange die deutsche Jahrhundert-Tragödie und den Weg einer Familie, deren Mitglieder so unterschiedlich sind, wie Menschen nur sein können.
Der Auftakt des großen Zweiteilers "Eine Familie in Deutschland": "Zeit zu hoffen, Zeit zu leben".
Wenn Prange deutsche Geschichte erzählt, wird sie für uns gegenwärtig. Klug und wahrhaftig beschreibt er Menschen, die sich in schweren Zeiten bewähren müssen und die doch einfach so sind wie wir.

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Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hoffen, Zeit zu leben.

Die schicksalhafte Familiengeschichte in Zeiten der Entscheidung - berührend, lebensnah, historisch genau.
Seit Generationen leben die Isings im Wolfsburger Land, fernab der Welt und doch mitten in Deutschland. Alles verändert sich für die Familie, als auf Hitlers Befehl eine gigantische Automobilfabrik entstehen soll, um den "Volkswagen" zu bauen. Kinderärztin Charly und Filmproduzentin Edda, Autoingenieur Georg und Parteisoldaten Horst – sie alle müssen sich entscheiden: Mache ich mit? Beuge ich mich? Oder widersetze ich mich? Mut, Verzweiflung, Verrat und Liebe im Zeichen des Nazi-Regimes: bewegend schildert Bestseller-Autor Peter Prange die deutsche Jahrhundert-Tragödie und den Weg einer Familie, deren Mitglieder so unterschiedlich sind, wie Menschen nur sein können.
Der Auftakt des großen Zweiteilers "Eine Familie in Deutschland": "Zeit zu hoffen, Zeit zu leben".
Wenn Prange deutsche Geschichte erzählt, wird sie für uns gegenwärtig. Klug und wahrhaftig beschreibt er Menschen, die sich in schweren Zeiten bewähren müssen und die doch einfach so sind wie wir.

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Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hoffen, Zeit zu leben.

Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hoffen, Zeit zu leben.

by Peter Prange
Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hoffen, Zeit zu leben.

Eine Familie in Deutschland: Zeit zu hoffen, Zeit zu leben.

by Peter Prange

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Die schicksalhafte Familiengeschichte in Zeiten der Entscheidung - berührend, lebensnah, historisch genau.
Seit Generationen leben die Isings im Wolfsburger Land, fernab der Welt und doch mitten in Deutschland. Alles verändert sich für die Familie, als auf Hitlers Befehl eine gigantische Automobilfabrik entstehen soll, um den "Volkswagen" zu bauen. Kinderärztin Charly und Filmproduzentin Edda, Autoingenieur Georg und Parteisoldaten Horst – sie alle müssen sich entscheiden: Mache ich mit? Beuge ich mich? Oder widersetze ich mich? Mut, Verzweiflung, Verrat und Liebe im Zeichen des Nazi-Regimes: bewegend schildert Bestseller-Autor Peter Prange die deutsche Jahrhundert-Tragödie und den Weg einer Familie, deren Mitglieder so unterschiedlich sind, wie Menschen nur sein können.
Der Auftakt des großen Zweiteilers "Eine Familie in Deutschland": "Zeit zu hoffen, Zeit zu leben".
Wenn Prange deutsche Geschichte erzählt, wird sie für uns gegenwärtig. Klug und wahrhaftig beschreibt er Menschen, die sich in schweren Zeiten bewähren müssen und die doch einfach so sind wie wir.


Product Details

ISBN-13: 9783104905518
Publisher: FISCHER E-Books
Publication date: 10/24/2018
Series: Eine Familie in Deutschland , #1
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 672
File size: 7 MB
Language: German

About the Author

Bestsellerautor Peter Prange ist der große Erzähler der deutschen Geschichte. Als Autor aus Leidenschaft gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen. ›Der Traumpalast‹ ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein Roman in zwei Bänden, ›Eine Familie in Deutschland‹. ›Das Bernstein-Amulett‹ wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu ›Unsere wunderbaren Jahre‹ begeisterte in zwei Staffeln ein Millionenpublikum. Der Autor lebt mit seiner Frau in Tübingen.


Bestsellerautor Peter Prange ist der große Erzähler der deutschen Geschichte. Als Autor aus Leidenschaft gelingt es ihm, die eigene Begeisterung für seine Themen auf Leser und Zuhörer zu übertragen. Die Gesamtauflage seiner Werke beträgt weit über drei Millionen. ›Der Traumpalast‹ ist sein vierter großer Deutschland-Roman. Die Vorläufer sind Bestseller, etwa sein Roman in zwei Bänden, ›Eine Familie in Deutschland‹. ›Das Bernstein-Amulett‹ wurde erfolgreich verfilmt, der TV-Mehrteiler zu ›Unsere wunderbaren Jahre‹ begeisterte in zwei Staffeln ein Millionenpublikum. Der Autor lebt mit seiner Frau in Tübingen.

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CHAPTER 1

Teil Eins Das Richtfest1933/1934

Fallersleben, ein kleines Städtchen im Wolfsburger Land, fernab der Welt und doch mitten in Deutschland gelegen, zählte im Jahre 1933 wenig mehr als zweitausend Einwohner. Es gab zwei Kirchen, ein Amtsgericht und ein Forstamt, dazu als einzige Attraktionen ein Schloss und ein Brauhaus sowie ein Schwefelbad für Heilkuren gegen Rheumatismus und Hauterkrankungen, und hätte nicht August Heinrich Hoffmann, der Dichter des »Deutschlandlieds«, der aus einer Laune des Schicksals heraus einst in dieser Ödnis das Licht der Welt erblickte, den Namen seines Heimatortes dem eigenen Allerweltsnamen hinzugefügt – kaum jemand hätte Notiz von diesem Flecken Erde genommen, wo die Menschen nahezu unberührt von der modernen Zeit lebten wie ihre Vor- und Vorvorfahren. Noch immer bestimmte die Landwirtschaft den Alltag, und von der industriellen Revolution, die sonst in weiten Teilen Deutschlands seit nunmehr einem Jahrhundert das Leben von Grund auf umgestaltete, zeugten hier, zwischen grauen Äckern und endlosen Viehweiden, nur eine Kaligrube sowie eine Handvoll mechanischer Fabrikationsbetriebe zur Verarbeitung von Agrarprodukten wie Kartoffeln, Zuckerrüben und Getreide.

Die Hauptstadt Berlin war darum weit, und selbst an diesem 30. Januar, an dem der Führer der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands Adolf Hitler durch den greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Kanzler ernannt wurde, war von den dortigen geschichtsträchtigen Ereignissen, in denen viele den Beginn einer besseren Zukunft, manche aber den Anfang eines vielleicht schrecklichen Endes erblickten, kaum etwas zu spüren. Hier, in Fallersleben, interessierte man sich an diesem verhangenen, nasskalten Tag nur für ein Ereignis, das Richtfest, zu dem der Zuckerbaron Hermann Ising, Herr über hundert Arbeiter und Betriebsbeamte und damit bedeutendster Agrarökonom im Landkreis, geladen hatte, um nach Fertigstellung von Rohbau und Dachstuhl seines neuen Wohnhauses am Rübenkamp die Segenssprüche der Zimmerleute entgegenzunehmen. In Scharen strömte man von den umliegenden Dörfern und Höfen zu dem dreigeschossigen, in solidem Fachwerk ausgeführten Gebäude, das an Größe und Stattlichkeit im ganzen Landkreis nur von der Wolfsburg selbst übertroffen wurde, dem jahrhundertealten Schloss und Stammsitz der Grafen von der Schulenburg, denen das Land gehörte, so weit das Auge reichte. Allein die Tatsache, dass in diesen notgeplagten Zeiten, da Armut und Hunger im Reich regierten, jemand ein so kühnes Unternehmen in Angriff nahm, war ein Zeichen der Hoffnung. Solcher Wagemut verdiente größten Respekt, und den wollte man mit seiner Anwesenheit bekunden. Außerdem galt der Bauherr als spendabler Mann, dessen großzügige Wesensart in vollkommener Weise dem Reklamespruch entsprach, den sein Großvater zur Gründung der Fallersleber Raffinerie ersonnen hatte:

Zucker schadet? Grundverkehrt! Zucker schmeckt, Zucker nährt!

Das Richtfest versprach also Freibier und Essen bis zum Platzen, und das wollte sich niemand entgehen lassen.

CHAPTER 2

Als wollte der Himmel seinen Segen zu dem Ereignis geben, riss über dem nahe gelegenen Klieversberg die Wolkendecke auf, und ein paar zögerlich blasse Sonnenstrahlen schienen auf den Dachfirst mit dem Richtkranz und der rotweiß im Wind flatternden Hakenkreuzfahne, als Hermann Ising, ein vierundfünfzig Jahre alter, etwas rundlicher, untersetzter Mann, der sein blondes Haupthaar wie früher schon sein Vater und Großvater in der Mitte gescheitelt trug, in der goldgelben Uniform eines Ortsgruppenleiters auf die Freitreppe des imposanten Rohbaus trat und das Wort ergriff, um vor den im Hof versammelten Gästen den Handwerkern zu danken und zugleich den eigenen Hoffnungen Ausdruck zu verleihen, die er für sich und seine Familie mit dem Umzug in das neue Haus verknüpfte.

»Ob er es wohl ausnahmsweise schafft, sich mal nicht am Hintern zu kratzen?«, fragte seine Tochter Charlotte, die sich, seit sie in Göttingen Medizin studierte, Charly nannte und jetzt zusammen mit ihrem Verlobten Benjamin Jungblut ein wenig abseits der übrigen Gesellschaft das Geschehen verfolgte.

»Warum in aller Welt sollte er das tun?«, erwiderte Benny verwundert.

»Wegen seiner Hämorrhoiden. Ist dir das noch nie aufgefallen?« Während er lachend den Kopf schüttelte, fuhr sie fort: »Ich bin nur gespannt, ob er den Mut hat, sein Versprechen wahrzumachen.«

»Welches Versprechen?«

»Sich bei seinem Architekten zu bedanken!« Kaum waren ihr die Worte rausgerutscht, hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen. Sie hatte sich vorgenommen, nichts von dem Versprechen zu verraten, das sie ihrem Vater abgenommen hatte – es sollte ja eine Überraschung sein.

Doch Benny zuckte nur gleichgültig die Achseln. »Der Architekt legt darauf nicht den geringsten Wert.«

»Unsinn! Du hast wunderbare Arbeit geleistet. Darauf musst du doch stolz sein!«

Unwillig schüttelte er den Kopf. »Stolz wäre ich, wenn ich euer Haus so hätte bauen können, wie ich es in Dessau gelernt habe. Aber dein Vater wollte ja unbedingt Fachwerk. Als lebten wir noch im Mittelalter.«

»Mein armer, armer Schatz.« Charly gab ihm einen Kuss. »Nur leider ist Fallersleben nicht Dessau, und ein Gesamtkunstwerk à la Bauhaus passt nun mal nicht so ganz in unser Nest. – Aber schau nur! Gleich passiert es!«

CHAPTER 3

In der Tat, Hermann konnte sich kaum noch beherrschen. Während er in seiner Rechten den Stichwortzettel für seine Rede hielt, zuckte seine Linke immer wieder in Richtung Gesäß. Ausgerechnet heute plagten ihn die Hämorrhoiden, als hätte ihm jemand Pfeffer in den Arsch gerieben, der Drang, sich Abhilfe zu schaffen, wuchs mit jeder Sekunde, und die Unmöglichkeit, sich in der Öffentlichkeit zu kratzen, machte es nur noch schlimmer. Außer Nachbarn, Freunden und Verwandten befanden sich unter den Gästen angesehene Honoratioren des Landkreises, an ihrer Spitze der Landrat, dazu Bankdirektor Lohmann, dessen Raiffeisenkasse das für den Hausbau nötige Geld vorgestreckt hatte, sowie Theobald Witzleben, der alte, in Ehren ergraute Pastor der Michaeliskirche, und natürlich Kreisleiter Sander, der einst als Turnlehrer der »Eulenschule« der Fallersleber Jugend den Purzelbaum und das Völkerballspielen beigebracht hatte. Sogar Graf von der Schulenburg hatte sein Kommen angesagt, zusammen mit seiner Frau. Allerdings würden die Herrschaften erst später erscheinen, nach dem offiziellen Teil, wenn die Reden gehalten waren, um sich möglichst zwanglos »unters Volk« zu mischen, wie der Graf sich bei der Einladung ausgedrückt hatte.

Unter Aufbietung seiner ganzen Willenskraft konzentrierte Hermann sich wieder auf seine Ansprache. Er dankte den Maurern und Zimmerleuten genauso wie den Schreinern und Glasern und stellte den Dachdeckern ein Fass Bier in Aussicht für den Fall, dass die Familie zum Frühlingsanfang in ihr neues Haus einziehen könnte.

Hatte er jemanden vergessen?

Ein Blick auf seine Tochter genügte, um seiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Voller Erwartung schaute Charlotte zu ihm auf. Das Versprechen, sich öffentlich bei ihrem Verlobten zu bedanken, war Hermann nicht schwergefallen, Benjamin Jungblut hatte sich eine solche Auszeichnung redlich verdient. Als zwischen den Jahren der Frost eingesetzt und alle Planungen über den Haufen zu werfen gedroht hatte, hatte der junge Itzig mit Engelszungen auf die Handwerker eingeredet und sie dazu gebracht, trotz des Kälteeinbruchs die Arbeit fortzusetzen. Hermann hatte sich die Nennung seines künftigen Schwiegersohns deshalb bis zum Schluss aufbewahrt.

»Und nun möchte ich noch jemanden würdigen, dem mein ganz besonderer Dank gilt. Denn wie heißt es schon in der Bibel? ›Die Letzten werden die Ersten sein.‹«

Er wollte Benno, wie er den Verlobten seiner Tochter nannte, um den eigentlichen Vornamen ebenso zu vermeiden wie die nicht weniger undeutsche Koseform, gerade zu sich rufen, da sah er seinen Sohn Horst. Zusammen mit seiner frisch angetrauten Frau Ilse, einer ehemaligen Arbeiterin der Zuckerfabrik und örtlichen BdM-Leiterin, überwachte er das Spanferkel, das an einem Bratspieß brutzelte, und wartete mit einem Glas Schnaps in der Hand auf das Ende der Rede. Dabei zog er ein Gesicht wie früher als Kind, wenn er fürchtete, eines seiner Geschwister könnte ihm den Sonntagspudding wegschnappen. Hermann ahnte den Grund. Horst hatte sich bei Kreisleiter Sander um den Posten des HJ-Bannführers beworben – das war praktisch so viel wie Standartenführer! –, und damit seine Kandidatur keinen Schaden nahm, hatte er ihn inständig darum gebeten, Benjamin Jungblut nur ja nicht in Sanders Beisein zu erwähnen.

Hermann wusste, egal, was er tat, eines seiner Kinder würde er jetzt enttäuschen, entweder seine älteste Tochter oder seinen zweitgeborenen Sohn. Unentschlossen zupfte er an seiner Armbinde. Seit Horst dem Kinderwagen entstiegen war, litt er darunter, dass er hinter seinen beiden Schwestern Charlotte und Edda, vor allem aber hinter seinem älteren und begabteren Bruder Georg zurückstand. Während seine Geschwister das Gymnasium beziehungsweise Lyzeum in der Kreisstadt Gifhorn besucht hatten, hatte es für Horst nur für die Fallersleber Mittelschule gereicht. Als Hermann nun das bange Flehen in seinen Augen sah, siegte in ihm das Mitleid über die Gerechtigkeit. In der Hoffnung, dass Lotti ihm verzieh, steckte er seinen Stichwortzettel ein, er konnte den Architekten nicht öffentlich loben, ohne Horst zu schaden, der Name war schließlich gemeingefährlich, und statt mit irgendwelchen Extratouren seinem Zweitgeborenen die Möglichkeit zu nehmen, sich in der Partei jenes Ansehen zu erwerben, das ihm sonst so oft verwehrt blieb, wandte er sich an den Menschen, bei dem er in kritischen Situationen stets Halt und Zuflucht fand: an seine Frau Dorothee. Mit dem kleinen Willy, dem gerade dreiMonate alten Nachzügler der Familie, auf dem Arm stand sie bei ihrem Bruder Carl und nickte ihm mit ihrem stets etwas wehmütigen Lächeln zu. Er nahm ein gefülltes Schnapsglas von dem Tablett, das zu diesem Zweck vor ihm bereitstand, und während er ihr zuprostete, formten seine Lippen ganz von allein die richtigen Worte.

»Mein letzter und wichtigster Dank gilt meiner lieben Dorothee, der ich alles schulde, was ich bin und habe!« Er hob sein Glas in die Höhe, damit die Gäste es ihm gleichtaten. »Auf meine Frau! Auf die Familie! Auf dass sich alle unsere Lieben unter dem Dach unseres neuen Hauses vereinen, um in Frieden und Eintracht hier zusammen zu leben, mit Kind und Kindeskindern, nach Altväter Sitte, voller Zuversicht und Glauben an die neue Zeit. Prost!« »Prost! Prost!«, schallte es zurück.

Die Gläser waren noch nicht geleert, da fing der kleine Willy auf dem Arm seiner Mutter so laut an zu schreien, als wolle auch er seine Zustimmung zur Rede seines Vaters bekunden. Beifall brandete auf, und wie auf ein Zeichen drehten sich alle zu dem kleinen Schreihals herum. Was für ein prächtiges Kerlchen hatte Hermann Ising doch auf seine alten Tage noch mal gezeugt! Kreisleiter Sander lachte sein meckerndes Lachen, Bankdirektor Lohmann lüftete wohlgelaunt seinen Hut, und der alte Pastor Witzleben, den man anstelle seines Nachfolgers, des allzu linientreuen Superintendenten Wedde, eingeladen hatte, lächelte sein Butterkuchenlächeln.

»Und natürlich auch ein kraftvolles Prosit auf unseren Jüngsten!«, rief Hermann, dem vor lauter Rührung über sein spätes Vaterglück beinahe die Tränen kamen. »Auf eine glorreiche Zukunft! Mit Gottes Segen – Sieg Heil!«

CHAPTER 4

»Nun, Schwesterherz, bist du glücklich?«

Dorothee, die nach dem Dienstmädchen Bruni Ausschau hielt, weil am Büfett bereits die Schnittchen zur Neige gingen, drehte sich zu ihrem Bruder herum, der zu dem Richtfest aus Berlin angereist war, obwohl Reichstagspräsident Hermann Göring ihn persönlich zur Vereidigung der neuen Regierung eingeladen hatte, die heute in der Hauptstadt stattfand. »Regierungen kommen und gehen«, hatte Carl bei seiner Ankunft gesagt, »aber so ein Haus, das ist doch was für die Ewigkeit.« Dorothee hatte sich über seine Entscheidung von Herzen gefreut, nach dem frühen Tod der Mutter hatte sie ihren jüngeren Bruder an deren Stelle großgezogen, war ihm Mutter und Schwester zugleich gewesen. Die Opfer, die sie gebracht hatte, hatte Carl ihr auf seine Weise gedankt: Mit vierundvierzig Jahren war er preußischer Staatsrat, Dekan der juristischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin und galt als der brillanteste Jurist im Reich. Doch die Frage, die er ihr gerade gestellt hatte, erinnerte sie schmerzlich daran, um welchen Preis ihr Leben erkauft war.

»Glücklich? Ach Carl, wer ist das schon?«

»Das sagst du an einem solchen Tag? Das gefällt mir aber gar nicht!«

Unter seinem prüfenden Blick war sie für einen Moment versucht, ihm ihr Herz auszuschütten. Ausgerechnet das neue Haus, um das jeder im Landkreis sie beneidete, war der Grund, weshalb sie sich noch mehr Sorgen machte als sonst. Doch als der kleine Willy einen Nieser tat, fing sein Onkel an, Faxen zu machen, wackelte mit den Händen an den Ohren und kitzelte das winzige Näschen, was der kleine Willy mit einem glucksenden Lachen quittierte.

»Das ist ja ein richtiger Wonneproppen«, sagte Carl und wiederholte den Versuch, der prompt ein erneutes Glucksen hervorrief. »Ich bin sicher, der wird euch noch viel Freude machen. Und was für ein kräftiges Stimmchen der kleine Mann hat«, fügte er hinzu, als Willy plötzlich wieder wie am Spieß zu schreien anfing.

»Ich wollte, es wäre nicht ganz so kräftig.« Dorothee versuchte Willy zu beruhigen, doch der krähte nur noch lauter. »Manchmal habe ich das Gefühl, dass er irgendwie anders ist als seine Geschwister. Auf jeden Fall ist er viel anstrengender.«

»Das ist der Zahn der Zeit«, erwiderte Carl. »Auch du wirst leider nicht jünger. Schließlich ist es zwanzig Jahre her, dass du deine anderen Kinder großgezogen hast. Kein Wunder, dass es dir heute schwerer fällt als früher. – Apropos Kinder: Wo steckt eigentlich Georg? Den habe ich noch gar nicht gesehen.«

»Ich weiß auch nicht«, sagte Dorothee, »eigentlich müsste er längst da sein. Hoffentlich ist nichts passiert.«

»Kein Grund zur Sorge«, erwiderte ihr Bruder. »Georg war noch nie der Pünktlichste. Arbeitet er noch immer in diesem Frankfurter Konstruktionsbüro?«

»Zu Hermanns Leidwesen ja.«

»Also nach wie vor kein Interesse an der Zuckerfabrik?«

Dorothee schüttelte den Kopf. »Er ist von seiner jetzigen Arbeit wie besessen.«

»Ach ja«, seufzte Carl, »die Jugend und ihre Träume.«

CHAPTER 5

Georg hatte ausgerechnet, dass er für die Strecke von Frankfurt bis Fallersleben bei vernünftiger Fahrweise mit einem einzigen Zwischenhalt auskommen müsste, doch kurz nach Braunschweig, keine dreißig Kilometer vor dem Ziel, war ihm der Sprit ausgegangen und er hatte sein Motorrad noch einmal auftanken müssen. Offenbar hatte er allen guten Vorsätzen zum Trotz wieder zu viel Gas gegeben. Christiane, seine Begleiterin, hatte die Pause genutzt, um in einem Gasthof die Toilette aufzusuchen.

Während der Tankwart Benzin nachfüllte, blickte Georg auf seine Armbanduhr. Das Richtfest war sicher schon in vollem Gange. Trotzdem hatte er es nicht eilig. Seine Mutter hatte am Telefon angedeutet, dass es zu Hause Probleme gebe, und auch wenn er nicht wusste, was für Probleme das waren, war er überzeugt, dass sie vor allem ihn betrafen. Einmal mehr würde sein Vater ihn drängen, sich endlich zu entscheiden. Bei der Vorstellung erlosch auch der letzte Funke Vorfreude auf die Heimat in ihm, es gab ohnehin nichts, was ihn nach Hause zog, und er wünschte, er wäre langsamer gefahren. Am besten so langsam, dass er gar nicht erst ankam.

Als er Fallersleben nach dem Abitur verlassen hatte, um an der Technischen Hochschule in Aachen Maschinenbau zu studieren, hatte er den Auszug aus der heimatlichen Enge wie eine Befreiung empfunden, und seit er in Frankfurt lebte, war die Sache endgültig entschieden: Keine zehn Pferde würden ihn je wieder zurück ins Wolfsburger Land bringen, wo es nichts als Gegend gab. In Frankfurt hingegen gab es nicht nur wunderbar schöne Frauen mit wunderbar lockeren Sitten, dort gab es vor allem auch den genialsten Ingenieur Deutschlands, seinen Freund Josef Ganz, der ein Auto entwickelte, wie die Welt noch keins gesehen hatte, und er, Georg Ising, hatte als sein engster Mitarbeiter daran wie kein anderer Teil. Doch jedes Mal, wenn er nach Hause kam, nahm sein Vater ihn ins Gebet, damit er sich zur Nachfolge bereit erklärte, obwohl sein jüngerer Bruder Horst sich nichts sehnlicher wünschte, als eines Tages als Zuckerbaron durch Fallersleben zu stolzieren. Dabei hatte Georg sich das Dilemma selbst zuzuschreiben. Als Student hatte er eine Zentrifuge für die Raffinerie konstruiert, um sich für den monatlichen Wechsel von zu Hause erkenntlich zu zeigen. Damit hatte er falsche Hoffnungen geweckt, gegen die er nun immer wieder ankämpfen musste. Aber er war fest entschlossen, sich nicht rumkriegen zu lassen – weder diesmal noch irgendwann sonst.

(Continues…)


Excerpted from "Eine Familie in Deutschland Roman in 2 Büchern"
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Excerpted by permission of S. Fischer Verlag.
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Table of Contents

• [Widmung],
• [Motto 1],
• Vorbemerkung,
• [Motto 2],
• Teil Eins Das Richtfest,
• Teil Zwei Stadt des KdF-Wagens,
• Teil Drei Volksmobilmachung,
• Danke!,
• Liste der handelnden Personen,
• Ausblick auf Band 2,

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