Fuck the Reiswaffel: Ein Kleinkind packt aus

„Babymund tut Wahrheit kund – und das auch noch sehr komisch.“ Horst Evers.

Gerade ist Mia eins geworden, hat gelernt, wie man aus Bio-Essen Kunstwerke schafft und Eltern wachhält, da beschließen Mama und Papa, dass ihnen einmal Babyhölle nicht reicht. Sie holen allen Ernstes noch ein Kind ins Haus – einen Jungen, igitti! –, und dann will Mama wieder arbeiten. Und während Papa gezwungenermaßen mit Brüderchen Fritz zu Hause bleibt, soll Mia tatsächlich in die Kita gehen. Abschiebung – nicht mit Mia! Da haben die lieben Eltern die Rechnung ohne das Kind gemacht …

Aus der Sicht eines frühgeförderten Kleinkindes gibt die preisgekrönte Kabarettistin Barbara Ruscher hoch amüsante Einblicke in die biologisch korrekte Familienwelt.

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Fuck the Reiswaffel: Ein Kleinkind packt aus

„Babymund tut Wahrheit kund – und das auch noch sehr komisch.“ Horst Evers.

Gerade ist Mia eins geworden, hat gelernt, wie man aus Bio-Essen Kunstwerke schafft und Eltern wachhält, da beschließen Mama und Papa, dass ihnen einmal Babyhölle nicht reicht. Sie holen allen Ernstes noch ein Kind ins Haus – einen Jungen, igitti! –, und dann will Mama wieder arbeiten. Und während Papa gezwungenermaßen mit Brüderchen Fritz zu Hause bleibt, soll Mia tatsächlich in die Kita gehen. Abschiebung – nicht mit Mia! Da haben die lieben Eltern die Rechnung ohne das Kind gemacht …

Aus der Sicht eines frühgeförderten Kleinkindes gibt die preisgekrönte Kabarettistin Barbara Ruscher hoch amüsante Einblicke in die biologisch korrekte Familienwelt.

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Fuck the Reiswaffel: Ein Kleinkind packt aus

Fuck the Reiswaffel: Ein Kleinkind packt aus

by Barbara Ruscher
Fuck the Reiswaffel: Ein Kleinkind packt aus

Fuck the Reiswaffel: Ein Kleinkind packt aus

by Barbara Ruscher

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Overview

„Babymund tut Wahrheit kund – und das auch noch sehr komisch.“ Horst Evers.

Gerade ist Mia eins geworden, hat gelernt, wie man aus Bio-Essen Kunstwerke schafft und Eltern wachhält, da beschließen Mama und Papa, dass ihnen einmal Babyhölle nicht reicht. Sie holen allen Ernstes noch ein Kind ins Haus – einen Jungen, igitti! –, und dann will Mama wieder arbeiten. Und während Papa gezwungenermaßen mit Brüderchen Fritz zu Hause bleibt, soll Mia tatsächlich in die Kita gehen. Abschiebung – nicht mit Mia! Da haben die lieben Eltern die Rechnung ohne das Kind gemacht …

Aus der Sicht eines frühgeförderten Kleinkindes gibt die preisgekrönte Kabarettistin Barbara Ruscher hoch amüsante Einblicke in die biologisch korrekte Familienwelt.


Product Details

ISBN-13: 9783841216137
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 10/05/2018
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 288
File size: 5 MB
Language: German

About the Author

Barbara Ruscher, geboren 1969 in der Nähe von Bonn, hat ein Lehramtsstudium und Referendariat in Musik und Germanistik absolviert, was ihr die Grundausbildung für die Bühne lieferte – schaffst du das, schaffst du alles. Seit 1998 ist sie auf den deutschsprachigen Kabarettbühnen unterwegs. „Fuck the Möhrchen“ ist ihr erster Roman. www.barbara-ruscher.de

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Schnuller, die im Dunkeln leuchten

Ich wache auf.

Um mich herum herrscht Dunkelheit.

Nur in meinem Mund leuchtet es.

Neonpink.

So wird man heutzutage als Kind also in die Welt hineingeschubst. Oral gut versorgt, aber richtig mies gegendert.

Ganz ehrlich. Es gibt herrliche Schnuller, runde, symmetrische und kiefergerechte, mit Kirschkernform, aus Kautschuk, Silikon oder Latex, Bisphenol-A-freie Schnuller und sogar Schnuller aus in Mondlicht geschnitztem Ahornholz mit schamanisch besprochenen Poren.

Wäre mir alles recht. Nur PINK soll er bitte nicht sein.

Schaue in den Spiegel des gegenüberliegenden Wandschranks. O mein Gott. Es ist noch schlimmer, als ich dachte. Den Leuchteschnulli ziert ein Einhorn.

In den Akademikerkreisen, in denen sich Mama und Papa zu meinem Leidwesen bewegen, hat sich offensichtlich noch nicht rumgesprochen, dass ein kitschiges Fabelwesen mitnichten die richtige Vorbereitung auf das Leben im dritten Jahrtausend ist. Das Einhorn soll zwar das edelste und reinste aller Fabeltiere sein, da es für Anmut und Eleganz und Freiheit steht, aber jedes Kind kennt doch die schreckliche Wahrheit über das Tier mit dem langen Kegel auf der Nase: Einhörner pupsen Regenbögen in allen Farben.

Schlimmer geht es nicht.

Ich spucke das Ding aus, vermisse es jedoch sofort, diesen gummierten Brustwarzenersatz, dieses unvergleichlich befriedigende Gefühl im oralen Bereich. Einhorn hin oder her. Ich taste nach dem Schnuller, doch er fällt durch die Stäbe meines Gitterbettchens – und rollt fort, in unerreichbare Ferne. Ich gerate in Panik. Mein Gehirn gibt ein Signal an die Stimmbänder, und sie gehen in Stellung. Ich schreie mit all der Kraft, die meine zwölf Monate alten Lungen zu bieten haben, und gebe wirklich alles, um meinen Beruhigungssauger zurückzuordern. Doch nichts passiert. Noch nicht einmal das Fürsorgepersonal erscheint.

Ich schreie weiter.

Endlich hastet Mama herein und beginnt sofort, hektisch den Schnuller zu suchen. Sie hat ihre Brille nicht auf, also geht sie auf die Knie und tastet sich vorwärts, ihre dunklen langen Haare fallen in ihr bleiches Gesicht.

»Da!«, schreie ich.

»Wo?«, fragt sie.

»Da!«

»Wo?«

»Dadada!«

Mama holt Papa.

»Ja, wo ist denn unser kleiner Dadaist?« Papa fährt sich durch seinen Hipster-Bart, wie ihn heutzutage alle Väter haben, die modisch was auf sich halten. Was ich über das Gestrüpp an seinem Kinn denke, habe ich ihm noch nie gesagt, denn ich habe ihn lieb und will ihn nicht verletzen. Da muss er schon selbst drauf kommen. Außerdem: Mode kommt, Mode geht.

Bei der Schnullersuche bemüht er sich jedenfalls redlich und lacht gequält unter meinem Bettchen hervor. Doch Humor dieser Art ist mitten in der Nacht nicht meine Sache. Ich schreie noch lauter, um meinen Punkt klarzumachen. Papa fragt: »Mia, wollen wir uns nicht lieber beruhigen?«

Du vielleicht, denke ich. Ich nicht. Erst brauche ich mein Einhorn zurück.

Ich schreie weiter, denn er hat meinen wunden Punkt getroffen. Das Einzige, was ich sagen kann, ist »Mama«. Und vielleicht noch »Da.« Gut, ich bin erst ein Jahr alt, aber durch die monatelange Frühförderung bereits im Mutterleib meiner sprachlichen Kompetenz geistig weit voraus. Ein unangenehmer Zustand, und ich trainiere hart, um meinen Wortschatz zu erweitern. Kurz: Ich rede den ganzen Tag, selbst wenn mich so gut wie niemand von den Erwachsenen versteht. Bloß meine Mama scheint manchmal zu spüren, worum es mir geht. Auf die ist Verlass.

Meinen besten Freund Teddy, der jede Nacht bei mir schläft, nervt mein Gebrabbel, aber ich lasse mich nicht vom Üben abhalten, immerhin möchte ich später in der Lage sein, souveräner als ehemalige bayrische Ministerpräsidenten beschreiben zu können, wie man vom Bahnhof zum Flughafen kommt.

»DAAAAA!«

Obwohl mein Redefluss Teddy oft zu viel wird, bin ich erleichtert, dass wenigstens er mich versteht. Ebenso wie meine gleichaltrigen Freunde Sören-Wotan und LevkeFee – auch wenn sie die Einzigen sind.

»DAAAAA!«

Mama sagt, ihr Rücken mache ihr schon wieder Probleme, sie müsse sich sofort hinlegen, Papa solle weitersuchen und um Himmels willen endlich dafür sorgen, dass Mia sich beruhige.

Ist klar.

»Du brüllst wie Carmen Geiss nach ihrem Mann«, sagt Teddy.

»Ooooooh neeeeee«, rufe ich, und er äfft mich nach und schreit: »Rooooobert!«

Ich sehe das einfach nicht ein. Seit Mama wieder schwanger ist, geht es immer nur um dieses Baby, das doch realistisch betrachtet noch gar nicht da ist. Um mich kümmert sich überhaupt niemand mehr. Ich werde ignoriert und könnte kotzen. Wie Mama, sie macht das oft, seit ihr Bauch dicker wird. Hat wohl auch keinen Bock auf Fritz, den Fötus.

Statt mich – wie früher – selig lächelnd anzustrahlen und mir ununterbrochen zu sagen, wie lieb sie mich habe und dass ich ihr allerliebster Schnurzipurz sei – ein Kosewort, das seinesgleichen sucht –, gibt es nun immer etwas, worüber sie sich beschwert. Fritz mache Streifen auf ihren Bauch, sie habe Sodbrennen und könne nicht mehr mit mir toben. Ich frage mich ernsthaft, warum sie Fritz nicht einfach aus ihrem Bauch rausschmeißt. Zu nichts nütze, dieser Zwerg, einfach nur ein Störfaktor. Ein Kind reicht doch.

Vor kurzem noch hat sie immer mit mir »Hoppe, hoppe Reiter« gespielt, ein wirklich dämliches Spiel, bei dem sie irgendwann so tut, als ließe sie mich fallen, was sie aber sowieso nicht macht, immerhin ist sie meine Mama. Trotzdem hat mir dieser Quatsch mit ihr immer Spaß gemacht. Habe mich ihr zuliebe bei jedem Hops ahnungslos gestellt und dann gejuchzt, wenn sie mich im Fallen ganz überraschend aufgefangen hat. Zugegebenermaßen eine sehr schlichte Form der Unterhaltung, aber es war schön, sie glücklich zu machen.

Jetzt hat sie Angst, dass ich beim Hopsen gegen ihren Bauch stoße und Fritz dann anfängt zu boxen. Wo soll das noch enden? Wird sie mich irgendwann gar nicht mehr auf den Arm nehmen, wenn ihr Bauch so weiterwächst? Das einzig Gute an dem Bauch sind die Streifen darauf. Ich stellemir immer vor, das seien Straßen und fahre mit meinem Spielzeugauto darauf entlang. Manchmal nehme ich auch ein Flugzeug, dann sind es die Landebahnen des Berliner Flughafens. Papa hat mal gesagt, da sei jetzt sehr viel Platz.

Wo bleibt eigentlich mein Schnuller? Die waren auch schon mal flotter. Ich schreie lauter.

Papa redet nun irgendetwas vor sich hin, was sich ehrlich gesagt kaum von meiner Brabbelei unterscheidet, rennt in die Küche, kramt wie ein wildgewordener Minion in den Schubladen, kommt zurück und stopft mir ein unbekanntes Objekt in den Mund. Was ist das? Auf jeden Fallnicht mein Schnuller.

Mit mir kann man es ja machen.

In meiner Not wünsche ich mir zum ersten Mal in meinem Leben meine Hebamme Gudrun Rudolf-Steiner-Wiebkötter herbei und will von neuem schreien, doch mein Mund ist versiegelt. Fühle mich wie ein mittelalterlicher Brief, dessen Siegel nur der Papst aufbrechen kann. Unerwarteterweise schmeckt es aber plötzlich wunderbar nach Traube, ein bisschen vergoren vielleicht, aber das ist eindeutig Traube.

Papst, du kannst zu Hause bleiben.

Teddy wacht auf. Bestimmt hilft er mir und erklärt mir, was das alles zu bedeuten hat. Teddy, mein Buddy, mein brother in brain. Und in Braun. Der Einzige in meiner Umgebung, der einen tiefen Schlaf hat und der mich versteht wie kein anderer. Immer und überall. Mit ihm kann ich über alles reden, wirklich alles. Und er hat viel Erfahrung, denn er macht den Job als kuschliger Kinderbeistand schon lange. Sogar Oma hat er schon begleitet, als sie klein war, und dass er das überlebt hat, zeigt, wie robust, willensstark und gutmütig er ist.

Teddy sieht das Ding in meinem Gesicht und fängt an zu schnuppern. »Mmh, Merlot von 2013, fruchtig und mit leicht holzigem Geschmack«, murmelt er und will mir den Korken aus dem Mund ziehen, doch ich beiße zu.

»So was Gutes kriegt Fritz nicht, da kann er es im Bauch noch so schön haben«, triumphiere ich, »Merlot, aha, das merke ich mir! Danke für die Information, TeddyBuddy, aber das ist jetzt meiner.«

Doch inzwischen hat Papa den Bling-Bling-Schnuller gefunden und tauscht die beiden aus.

»Ich will den Merlot-Nucki zurück«, schreie ich erbost, doch heraus kommt nur: »Da, da, da.«

»Ja genau, da ist dein Leuchteschnulli«, freut sich Papa.

Ich gebe auf.

Teddy dreht sich auf den Bauch, um weiterzuschlafen, vielleicht auch aus Frust, weil er nicht an dem Korken lecken durfte, denn Teddy liebt guten Wein. Doch Papa hebt ihn hoch, drückt ihn mir in den Arm und verlässt seufzend das Zimmer.

»Auch gut«, murmelt Teddy und widmet sich genüsslich einer lautstarken Flatulenz. »Das musste noch raus«, kommentiert er und kuschelt sich behaglich in meinen Arm.

Wenn mein braunhaariger Freund aufgeregt ist, muss er immer pupsen, was viele mit dem »Bööööh« verwechseln, das Teddys manchmal machen, wenn man sie auf den Bauch dreht.

Kurze Zeit später ist er eingeschlafen und schnarcht wie ein Holzfäller.

Ich liege wach, warte darauf, dass die Feinstaubwerte wieder sinken, und denke über einen neuen Geschäftszweig nach. Es muss doch möglich sein, Schnuller mit Aroma zu erfinden. Erdbeere, Schokolade, von mir aus auch Pastinake. Für die ganz Harten. Gleich morgen werde ich die Sache angehen, denn ich brauche dringend Geld.

Und Teddy eine Polypenverkleinerung.

* * *

Am nächsten Morgen haben Papa und Mama eine Gesichtsfarbe wie zwei einsame Vampire. Sie hocken in unserem Reihenhaus-Wohnzimmer auf der braunen Sitzgarnitur und trinken starken Kaffee. Fairtrade natürlich. Ich kratze ein bisschen an der Retro-Tapete. Konzentrische Kreise in Ockergelb und Umbra, das halte ich auf Dauer nicht aus. Irgendwie muss man das Ding doch abkriegen.

»Das kann man nur mit Drogen ertragen«, sagt Teddy und bastelt sich einen länglichen weißen Stab mit Kräuterkrümeln darin. »Lass die Tapete an der Wand, gleich geht's ab.«

Finde es nicht gut, dass er Mamas Tee zum Basteln benutzt. Kraft und Harmonie ist ihre Lieblingssorte, gleich nach Nicht-schon-wieder-Montag-Tee, und ich wette, wenn Fritz erst einmal rausgekommen ist, braucht sie die doppelte Portion.

Teddy interessiert das nicht, er bastelt weiter.

Komisch, dass man Teesorten so benennt. Biersorten heißen ja auch nicht Morgenhab-ich-garantiert-nen-Kater oder Ich-will-vergessen-einfach-nurvergessen oder Wenn-ich-trinke-muss-ich-nicht-reden. Und wann um Himmels willen soll man einen Wach-auf-Tee trinken?

Papa nimmt einen weiteren Schluck aus seiner Kaffeetasse und starrt auf einen der Kreise. Der Kaffee scheint ihm plötzlich Schwung zu geben, vielleicht war es auch der Kreis, jedenfalls knallt er plötzlich seine Tasse auf den Tisch, sieht Mama an und sagt: »Heike, so geht das nicht weiter. Was hast du eigentlich beim Abstillen falsch gemacht, dass Mia nach einem Jahr immer noch nicht durchschläft?«

»Ich?« Mamas Augen werden groß.

Teddy guckt sich hektisch nach seiner Bastelarbeit um und atmet erleichtert auf, als er das Ding hinter seinem Ohr entdeckt.

»Was hat das denn mit dem Abstillen zu tun?«

»Mia hat sich viel zu lange dran gewöhnt, nachts dauernd die Brust zu kriegen!« Papa ist richtig in Rage. »Mich hast du nie so häufig rangelassen.«

Mama schnappt nach Luft. »Ach daher weht der Wind! Weil DU sexuell frustriert bist, bin ICHschuld an Mias Schlafverhalten.« Ungläubig schüttelt sie den Kopf. »Du warst es doch, der das Stillen so wichtig fand. Wegen deiner Allergien, hast du gesagt. Weil sich das aufs Kind übertragen kann, und Stillen der beste Schutz sei. Und ich hab mitgemacht, obwohl mir die Brustwarzen dabei so wehgetan haben, als würde eine vom Pflegenotstand frustrierte Krankenschwester ein Dutzend großflächiger nicht-sensitiver Pflaster mit einem Ruck abreißen. Ich habe die Zähne zusammengebissen und weitergemacht. Und jetzt bin ICH schuld?«

Ja, Mama, du bist schuld. Zum Glück. Muttermilch ist das Beste, was es gibt, und ich kann es immer noch nicht fassen, dass das Stillen für immer vorbei sein soll. Aber, lieber Papa, deshalb nicht durchzuschlafen, würde der Sache doch ein bisschen zu viel Bedeutung beimessen. Immerhin bin ich inzwischen ein Kleinkind. Und für Kleinkinder gibt es Süßigkeiten.

Papa fährt sich nervös durch die Haare. »Natürlich bleibe ich dabei, dass Stillen wichtig ist. Aber wenn du früher abgestillt hättest, hätte Mia sich früher ans Durchschlafen gewöhnen können.«

»Dann zeig doch mal, dass du Erziehung besser drauf hast, und mach ein Durchschlaftraining mit Mia!«

Durchschlaftraining. Das Wort kenne ich noch nicht. Wie soll das gehen? Entweder wache ich auf, weil ich Papa schnarchen höre, oder ich träume was Doofes. Und jeden Dienstag kommt Teddy nachts betrunken aus der Kneipe und weckt mich. Das alles abzutrainieren erfordert Sinn und Verstand und scheint mir ein ziemlich komplexes Projekt, aber ehrlich gesagt erweckt Papa in seiner jetzigen Verfassung, mit all dem Schlafmangel, über den er ständig klagt, nicht gerade den Anschein, als sei er mit zahllosen innovativen, spritzigen Ideen gesegnet.

* * *

Seit Tagen reden Mama und Papa darüber, dass es so nicht weitergehen könne, dass sich etwas ändern müsse, dass sie das nicht länger durchhielten. So was höre ich schon seit einem Jahr immer mal wieder, aber irgendwie sind sie plötzlich so ernst dabei. Und nun diskutieren sie auch noch über meine Unterbringung in einer Anstalt.

Ich ahne Schlimmes.

Sie lieben mich nicht mehr.

»Ungeliebte Menschen in eine Anstalt einpferchen, das ist schon lange verboten«, schreie ich. »Das durften Männer früher mit Frauen machen, die es gewagt haben, eine eigene Meinung zu haben. Aber das ist vorbei! Und jetzt sollen da stattdessen wir Kinder rein?«

Doch sie sagen nur: »Mia, jetzt nicht, dududu«, und drücken mir den Schnuller in den Mund.

Ich soll in eine Anstalt. Eine Anstalt für Kinder. »Kita« nennen sie das. Hm, wofür steht das wohl? Kinder-Terror-Akademie? Oder nein, sicher bilingual. EnglischDeutsch. Kids-Terrorism-Akademie.

Vielleicht lieben sie mich ja doch noch und sind nur radikal geworden. Werden ja viele momentan. Ich soll eine Ausbildung in einer Akademie machen und dann in den heiligen Krieg ziehen, um Kinderlose durch ohrenbetäubendes Gebrüll fertigzumachen. Die sollen aufhören, stundenlang gemütlich Bücher zu lesen und Kinoabende zu planen und miteinander zu reden, ohne dass einer dazwischenblökt oder das Möhrchenglas umkippt. Die sollen sich endlich der Realität stellen, Kinder zeugen und die Rente sichern und es auf sich nehmen, sich monatelang übermüdet in Bionade-Cafés mit laktosefreiem Latte macchiato und frischem Minz-Ingwer-Tee rumzutreiben.

Igitt.

Meine Eltern schauen mich an. Die hecken irgendwas Schlimmes aus, das sehe ich doch.

»Es ist so schön dort, Mia«, flötet Mama.

»Da findest du Freunde«, lächelt Papa.

Verarschen kann ich mich alleine. Habe genug Außenkontakt. Da ist zuallererst Sören-Wotan, der Sohn von Marlon und Bettina. Die sind zwar getrennt, aber Eltern bleibt man ein Leben lang, aus der Nummer kommt man nie wieder raus. Bettina ist Mamas alte Schulfreundin, wobei das Wort »Freundin« ihrer nicht spannungsfreien Beziehung vielleicht nicht immer gerecht wird. Bettina ist in Bezug auf Sören-Wotan ein wenig überambitioniert, um nicht zu sagen: ehrgeizig wie zehn Eckart von Hirschhausens. Seit sie aber ihre Neigung zu Frauen entdeckt hat und mit Gudrun Rudolf-Steiner-Wiebkötter zusammen ist, wirkt sie entspannter. Marlon ist Creative Director, von sich selbst überzeugter Dubadoo-S1-Kinderwagen-Experte mit gegelten Haaren und ein ziemlicher Schnösel, aber Mama mag ihn trotzdem. Solange er die Finger von ihr lässt, soll es mir recht sein.

Erstaunlich ist jedoch, dass diese beiden narzisstisch leicht gestörten Personen einen so wunderbaren Sohn haben: Sören-Wotan, mein rothaariger Lover. Gut, so weit sind wir noch nicht, bis jetzt sind wir erst einmal Freunde. Aber ich sehe der Zukunft positiv gestimmt entgegen. Außer was die Schwiegereltern betrifft. Bettina hat Sören-Wotan das Kinderzimmer mit Bob der Baumeister tapeziert, der Können wir das schaffen? Ja, wir schaffen das! in sieben verschiedenen Sprachen sagt.

Gut, dass Sören-Wotan jetzt mich hat. Das bringt ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Außerdem hat Gudrun Rudolf-Steiner-Wiebkötter einen guten Einfluss auf Sörens Mutter, und auch sie selbst ist viel gelassener, seit sie »gleichgeschlechtlich liebt«, wie sie es nennt. Sogar gegen meinen Schnulli hat sie nichts mehr gesagt, obwohl das mit ihrer anthroposophischen Angst vor Stillverwirrung eigentlich nicht vereinbar ist. Das rechne ich Bettina hoch an.

Außerdem spiele ich oft mit der Nichte unserer Nachbarin Wiebke. Sie heißt Levke-Fee und ist ein allergiegestrafter Hypochonder, aber sonst ganz in Ordnung. Zwar hat sie ein Auge auf meinen Sören-Wotan geworfen, doch das kriege ich in den Griff. Habe für den Notfall ein paar Haselnüsse und Birkenpollen gesammelt und hoffe, dass sie mich nicht zum Äußersten treibt.

(Continues…)


Excerpted from "Fuck the Reiswaffel"
by .
Copyright © 2018 Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin.
Excerpted by permission of Aufbau Digital.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

Table of Contents

Über Barbara Ruscher,
Informationen zum Buch,
Newsletter,
Kapitel 1: Schnuller, die im Dunkeln leuchten,
Kapitel 2: Prenzlauer-Berg-Periode,
Kapitel 3: Gleichgesinntinnen und Gleichgesinnte,
Kapitel 4: Jedes Kind kann schlafen lernen. Außer mir.,
Kapitel 5: Alles Sahne, oder was,
Kapitel 6: Leberwurst-Paintings,
Kapitel 7: Elke-Carmen und der Rotzwurm,
Kapitel 8: Ultraschall und Austern — Glibber überall,
Kapitel 9: Mumps und Motorikschleife,
Kapitel 10: Heterosexuelle Eichhörnchen,
Kapitel 11: Kita-Speed-Dating,
Kapitel 12: Die Vöglein zwitschern im Walde,
Kapitel 13: Trockenpflaumen vs. Wolle-Maulbeerseide-Bodys,
Kapitel 14: Brustwarzen in Herzchenform,
Kapitel 15: Männerfreundschaft,
Kapitel 16: Black Is The New Orange,
Kapitel 17: Hemmungslose Bügellosigkeit,
Kapitel 18: Die Reiswaffel ist blond,
Kapitel 19: Das Grauen hat einen Namen: Fritz,
Kapitel 20: Vier gewinnt,
Kapitel 21: Nüsse und Küsse,
Kapitel 22: Selbstlaufende Autos — mein erstes Bobby Car,
Kapitel 23: Töpfchentraining für jedes intellektuelle Niveau,
Kapitel 24: Eingewöhnung in die harte Realität des Kinderlebens,
Kapitel 25: Frettchen mit Migrationshintergrund,
Kapitel 26: Auf Entzug,
Kapitel 27: Klettern verboten,
Kapitel 28: Online,
Kapitel 29: Fritz robbt, Oma mobbt,
Kapitel 30: Youtube und Salamibrote,
Kapitel 31: Anthroposophen lieben Kautschukschnuller,
Kapitel 32: Haustiere auf dem Kopf,
Kapitel 33: Die Bienen sterben aus — aber nicht auf Strumpfhosen,
Kapitel 34: Leckmuscheln,
Kapitel 35: Heiße Milf mit Honig,
Kapitel 36: Gerhard Richter und die Gurke,
Kapitel 37: Mädchentag,
Kapitel 38: Die Wende,
Kapitel 39: Arsen und Nutellahäubchen,
Kapitel 40: Drei,
Epilog: Chris-Dad, der Blog,
Anmerkung,
Impressum,

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