Krone und Feuer

Die Fjordlandsaga beginnt!

Norwegen, Ende des 9. Jahrhunderts: Das Land ist in einzelne Königreiche zersplittert. König kämpft gegen König, Nachbar gegen Nachbar. Seit dem Tod ihres Vaters haben Ragnvald und seine Schwester Svanhild nur ein Ziel: die Ländereien ihrer Familie zurückzuerobern. Ragnvald schließt sich dem Kriegszug des mächtigen Wikingerkönigs Harald an, der sich anschickt, das Land unter seiner Herrschaft zu vereinen. Ein erbitterter Kampf um die Krone entbrennt. Während Ragnvald in der Gunst Haralds steigt, bleibt Svanhild nichts als die Rolle einer politischen Schachfigur, durch deren Heirat neue Allianzen geschmiedet werden können. Ausgerechnet Ragnvalds Erzfeind bietet ihr die Freiheit, die sie sucht ...

Der Auftakt einer epischen Saga: Ein Geschwisterpaar im Bann von Macht, Loyalität und Freiheit

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Krone und Feuer

Die Fjordlandsaga beginnt!

Norwegen, Ende des 9. Jahrhunderts: Das Land ist in einzelne Königreiche zersplittert. König kämpft gegen König, Nachbar gegen Nachbar. Seit dem Tod ihres Vaters haben Ragnvald und seine Schwester Svanhild nur ein Ziel: die Ländereien ihrer Familie zurückzuerobern. Ragnvald schließt sich dem Kriegszug des mächtigen Wikingerkönigs Harald an, der sich anschickt, das Land unter seiner Herrschaft zu vereinen. Ein erbitterter Kampf um die Krone entbrennt. Während Ragnvald in der Gunst Haralds steigt, bleibt Svanhild nichts als die Rolle einer politischen Schachfigur, durch deren Heirat neue Allianzen geschmiedet werden können. Ausgerechnet Ragnvalds Erzfeind bietet ihr die Freiheit, die sie sucht ...

Der Auftakt einer epischen Saga: Ein Geschwisterpaar im Bann von Macht, Loyalität und Freiheit

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Die Fjordlandsaga beginnt!

Norwegen, Ende des 9. Jahrhunderts: Das Land ist in einzelne Königreiche zersplittert. König kämpft gegen König, Nachbar gegen Nachbar. Seit dem Tod ihres Vaters haben Ragnvald und seine Schwester Svanhild nur ein Ziel: die Ländereien ihrer Familie zurückzuerobern. Ragnvald schließt sich dem Kriegszug des mächtigen Wikingerkönigs Harald an, der sich anschickt, das Land unter seiner Herrschaft zu vereinen. Ein erbitterter Kampf um die Krone entbrennt. Während Ragnvald in der Gunst Haralds steigt, bleibt Svanhild nichts als die Rolle einer politischen Schachfigur, durch deren Heirat neue Allianzen geschmiedet werden können. Ausgerechnet Ragnvalds Erzfeind bietet ihr die Freiheit, die sie sucht ...

Der Auftakt einer epischen Saga: Ein Geschwisterpaar im Bann von Macht, Loyalität und Freiheit


Product Details

ISBN-13: 9783843715195
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 07/14/2017
Series: Die Fjordland-Saga , #1
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 640
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Linnea Hartsuyker ist Absolventin des Creative-Writing-Programms der New York University sowie der Cornell University Engineering School. Sie hat sich intensiv mit der Geschichte Haralds I. von Norwegen beschäftigt, seit sie durch Recherchen in norwegischen Kirchenbüchern erfahren hat, dass er zu den Vorfahren ihrer Familie zählt.
Linnea Hartsuyker wuchs in den Wäldern von Ithaca, New York auf und studierte später an der Cornell University und der New York University. Sie hat sich intensiv mit der Geschichte Haralds I. von Norwegen beschäftigt, seit sie durch Recherchen in historischen Kirchenbüchern erfahren hat, dass er zu den Vorfahren ihrer Familie zählt. Sie lebt als freie Autorin mit ihrem Mann in New York City.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Ragnvald tanzte über die Riemen und sprang von einem zum anderen, während die Männer ruderten. Manche von ihnen hielten kurz inne, um es ihm leichter zu machen, andere versuchten, ihn abzuschütteln, wenn er auf ihrem Riemen landete. Der Wind aus den Bergen, der vom ausklingenden Winter kündete, fegte über den Fjord und pfiff durch die Bäume, die die Klippen säumten. Doch die Sonne schien, und Ragnvald, der ein Wollhemd und eine warme Kniebundhose trug, fror nicht. Er hatte die Sachen während der ganzen Heimreise über das Nordmeer getragen, auch als sie durch die Stürme und Nebel zwischen Irland und seiner Heimat gefahren waren.

Er berührte den Vordersteven und hielt sich einen Augenblick daran fest, um zu verschnaufen.

»Komm zurück«, rief Solvi. »Du klammerst dich ja an den Drachen wie ein Weib!« Ragnvald holte tief Luft und stieg erneut auf den ersten Riemen. Hier saß sein Freund Egil, dessen gebleichtes Haar in der Sonne glänzte. Egil sah zu ihm hoch und lächelte; er würde ihn niemals zu Fall bringen. Doch jetzt geriet Ragnvald ins Wanken, als er entgegen der Fahrtrichtung des Schiffes weitersprang, denn die Sonne blendete ihn. Seine Bewegungen wurden unsicher, er taumelte, rutschte ab, fing sich aber bei jeder Aufwärtsbewegung der Riemen wieder und wurde davon weitergeschleudert, bis er endlich am Heck war. Über die Reling schwang er sich zurück auf das Achterdeck, wo er einen sicheren Stand hatte.

Solvi hatte demjenigen einen goldenen Armreif versprochen, der es schaffte, auf den Riemen das ganze Schiff entlangzulaufen, vom Heck bis zum Bug und wieder zurück, während die Männer ruderten. Ragnvald hatte es als Erster versucht, denn er wusste, dass Solvi auf Wagemut Wert legte. Nun, da er wieder auf dem Deck angekommen war, musste er grinsen: Sein Lauf würde nur schwer zu überbieten sein. Die ganze Reise stand für ihn unter einem guten Stern. Zunächst hatte sie ihm die Möglichkeit gegeben, endlich einmal seinem mürrischen Stiefvater zu entfliehen. In Irland, wo schon so viele ihr Leben lassen mussten, war er keiner Krankheit zum Opfer gefallen. Und jetzt hatte er sich auch noch einen Platz auf Solvis Schiff für den nächsten Raubzug im Sommer verdient. Im Laufe des Winters hatte er sich an seine schlaksigen Arme und Beine gewöhnt, so dass er nicht mehr bei jedem Schritt über die eigenen Füße stolperte. Sollten die anderen ruhig versuchen, ihn zu übertrumpfen!

»Nicht schlecht«, meinte Solvi und klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. »Wer wagt es, Ragnvald Eysteinsson herauszufordern?«

Ulfarr, Solvis Mann für das Vorschiff, trat als Nächster nach vorne. Er war ein gestandener Mann mit Schultern, die um die Hälfte breiter waren als die von Ragnvald, und einer langen gelben Mähne, die er sich mit Gerblauge zu bleichen pflegte.

»Das ist ein Spiel für junge Kerle, Ulfarr«, rief Solvi ihm zu. »Und du trägst zu viel Schmuck. Die Göttin Ran wird dich zu sich holen.« Ulfarr schaffte nur wenige Schritte, bevor er abrutschte und mit einem lauten Platsch ins Wasser fiel. Schwer atmend tauchte er aus dem eisigen Nass wieder auf und klammerte sich an einen der Riemen. Solvi warf den Kopf in den Nacken und lachte.

»Zieht mich rauf, verdammt«, rief Ulfarr.

Ragnvald beugte sich zu ihm hinunter und zerrte ihn an Bord. Ulfarr schüttelte sich wie ein nasser Hund und spritzte Ragnvald von oben bis unten mit Salzwasser voll.

Egil versuchte es als Nächster. Er sah aus wie ein Storch, als er über die Reling stieg, schlaksig und unbeholfen, wie er war. Hier war jedoch Behändigkeit gefragt.

Angespannt sah Ragnvald ihm nach. Tatsächlich schaffte Egil es beinahe bis zum Vordersteven, doch dann verlor er das Gleichgewicht. Er klammerte sich an den Steven, bis Ragnvald ihm wieder hinaufhalf, so dass er lediglich nasse Füße bekam. Ragnvald ließ sich auf einem Stapel Felle nieder, um den nächsten Herausforderern zuzuschauen, die jedoch einer nach dem anderen ausrutschten und ins Wasser fielen.

Die steilen Felswände des Fjords zogen an ihnen vorüber. Der Schnee von den Gipfeln des gewaltigen norwegischen Gebirgsrückens stürzte hier unten als Schmelzwasser in großen Kaskaden die Klippen hinunter, und in der zerstiebenden Gischt fing sich das Sonnenlicht in unzähligen Regenbogen. Auf den Felsen am Fuß einer Klippe sonnten sich Seehunde, plump und glänzend. Neugierig und ohne Furcht beobachteten sie die vorüberziehenden Schiffe – Langschiffe machten Jagd auf Menschen, nicht auf Felle.

Solvi stand am Heck seines Schiffes. Er lobte erfolgreiche Versuche und lachte über misslungene. Dennoch merkte Ragnvald, dass Solvi dem Wettlauf nur seine halbe Aufmerksamkeit schenkte. Seine Augen waren unaufhörlich in Bewegung; immer wieder schaute er hinüber zu den Klippen und Wasserfällen. Dieselbe Vorsicht und Achtsamkeit hatte er auch bei ihren Überfällen an den Tag gelegt, und damit hatte er seine Männer mehr als einmal vor den irischen Kriegern gerettet. Und die Iren kämpften fast so gut wie die Nordmänner!

Ragnvald hatte Solvi während der ganzen Fahrt mit großer Bewunderung beobachtet – aus gutem Grund: Solvi war klug, aber zugleich auch äußerst geschickt darin, seine Männer für sich zu gewinnen. Ragnvald war erstaunt gewesen, diese beiden Charakterzüge in einer Person vereint zu finden. Wie oft gab es Draufgänger und Säufer, die sich zwar viele zu Freunden machten, aber so unvorsichtig waren, dass ihr Leben als Krieger nicht lange währte. Ragnvalds Vater, Eystein, hatte auch zu dieser Sorte Mensch gehört. Jeder von Solvis Männern hatte während der langen Fahrt etwas über Eystein zu erzählen gewusst, und alle schienen sie enttäuscht, dass Ragnvald nicht mehr nach ihm geraten war – einem Mann, an dessen Geschichten man sich noch ein Jahrzehnt später erinnerte, der seine Pflichten gleichgültig vernachlässigt hatte, wann immer es ihm beliebte.

Solvi lachte über den nächsten Versuch, den nächsten Sturz, den nächsten seiner Männer, der strauchelnd über die Reling kletterte und vor ihm auf das Achterdeck plumpste, in dem eiskalten Wasser nach Atem ringend. Solvi war ein gutaussehender Mann mit schmalem Gesicht und hohen Wangenknochen, die rot leuchteten wie reife Äpfel. Als kleiner Junge hatte er sich die Beine übel verbrannt, nachdem sich der Inhalt eines Kessels über ihn ergossen hatte; es hieß, schuld daran sei eine von König Hunthiofs Zweitfrauen gewesen, die von Eifersucht getrieben war, weil der König Solvis Mutter mehr Zuneigung entgegenbrachte als ihr. Die Brandwunden waren gut verheilt – auch in diesem Punkt hatte er sich als tapferster Kämpfer erwiesen, dem Ragnvald je begegnet war –, selbst wenn seine Beine verkrüppelt geblieben waren und etwas kürzer als normal. Man nannte ihn deshalb auch Solvi Klofe – Solvi, der Kurzbeinige; ein Name, der ihn lediglich zu einem breiten Grinsen veranlasste – zumindest, wenn ihn einer seiner Freunde so nannte.

Am anderen Ende des Schiffes setzte eben der nächste Krieger zu einem Sprung an und wäre beinahe gestürzt. Solvi lachte und rüttelte an einem der Riemen, um ihn zu Fall zu bringen. Inzwischen waren nur noch wenige übrig, die versuchen konnten, Ragnvalds Glanzleistung zu übertreffen. Lediglich der Sohn des Lotsen, ein schlanker junger Mann mit dem sicheren Tritt einer Bergziege, hatte die ganze Strecke geschafft und war vom Heck zum Vordersteven und zurück getanzt.

Hinter ihnen segelten die fünf Schiffe, die in Solvis Konvoi verblieben waren. Manche hatten ihn bereits verlassen, um Söhne heim zu ihren Höfen oder Fischer zurück zu ihren Booten zu bringen. Wiederum andere Schiffe hatten schon ihren Kurs geändert, in Richtung der Inseln entlang der Inside Passage; ihre Kapitäne nannten sich Seekönige und herrschten über Königreiche, die aus nichts als Felsen und engen Fahrrinnen bestanden. Wenn ihr Schlachtruf ertönte, strömten die Männer in Scharen zu ihnen. Auch Solvis Vater nannte sich einen Seekönig, denn obwohl er von den Bauern von Maere Abgaben forderte, verweigerte er die anderen königlichen Pflichten und besaß selbst keinen Hof in Tafjord.

Es war noch früh im Jahr und damit ausreichend Zeit für einen Beutezug über den Nordatlantik oder eine kurze Fahrt zu den ungeschützten Küsten Frieslands im Sommer. Dennoch war Ragnvald froh, wieder nach Hause zu kommen. Hinter den Ausläufern der Skanden warteten seine Schwester Svanhild und der Rest seiner Familie auf ihn – und außerdem Hilda Hrolfsdatter, seine Auserkorene. Er hatte zwei Kupferbroschen für sie ergattern können, gefertigt von den nordischen Schmieden von Dublin. Der nordische König dort hatte sie ihm als Belohnung überreicht, nachdem Ragnvald einen gewagten Überfall auf ein irisches Dorf angeführt hatte. Sie würden hübsch an ihr aussehen, groß wie sie war, und gut zu ihrem rötlichen Haar passen. Eines Tages würde sie der großen Halle vorstehen, die er an derselben Stelle errichten wollte, an der einst die Halle seines Vaters niedergebrannt war. Bis dahin würde Ragnvald ein erfahrener Krieger sein, mit kräftigen Muskeln wie Ulfarr, und seinen Reichtum am Gürtel und um die Arme tragen. Hilda würde ihm große Kinder gebären, Söhne, denen er das Kämpfen beibringen würde.

Diesen Sommer, wenn die Familien des Sogn-Bezirks zum Thing zusammenkamen, wollte er sie für sich fordern. Zwischen seiner Familie und ihrer gab es bereits eine Übereinkunft, auch wenn die Verlobungszeremonie noch nicht stattgefunden hatte. Er hatte sich auf dem Raubzug bewiesen, hatte genug Vermögen erworben, um weitere Leibeigene für den Hof in Ardal kaufen zu können. Jetzt, wo er zwanzig Jahre alt war und als Mann galt, konnte er Hilda heiraten. Damit hätte sein Stiefvater auch keinen Grund mehr, ihm das Land seines Vaters, das ihm von Geburts wegen zustand, vorzuenthalten.

Während des Winters war ihm außerdem eine silberne Halskette in die Hände gefallen, die Svanhild ausgezeichnet stehen würde. Zuerst würde sie lachen und so tun, als gefiele sie ihr nicht – was sollte sie, die den ganzen Tag nur Kühe hütete, denn auch mit Silber anfangen? –, doch ihre Augen würden leuchten, und sie würde die Kette von da an nicht mehr ablegen.

Solvi rief Ragnvald und den Sohn des Lotsen zu sich. Er strich über das dicke goldene Band, das sich um seinen Arm wand. Es war von Dubliner Goldschmieden gefertigt und mit Karneolen und Lapislazuli besetzt – ein Schmuckstück, wie es Königen gebührte. Sollte er tatsächlich beabsichtigen, es zu verschenken, wäre er ein wahrhaft großzügiger Herr.

»Ich hätte genügend Armreifen für euch beide«, sagte Solvi, »aber ich würde lieber einen von euch fallen sehen.« Er grinste den Sohn des Lotsen an, als hätte er Ragnvald gar nicht bemerkt. Nun, beim nächsten Lauf würde er schon dafür sorgen, dass Solvi ihn nicht übersah, dachte sich Ragnvald. »Wer von euch beiden als Erster zurück am Heck ist, soll den Armreif bekommen. Ragnvald, du läufst am Steuerbord entlang.« Bei diesen Worten schaute Solvi ihm in die Augen. Ein Lufthauch ließ Ragnvald frösteln. Er bevorzugte Backbord, das wusste Solvi doch. Die ganze Fahrt über hatte er diese sonderbare Wechselhaftigkeit bei Solvi beobachtet: Mal begegnete er Ragnvald mit Wohlwollen, gab ihm Ratschläge oder lobte ihn, doch schon im nächsten Augenblick tat er so, als existiere er gar nicht. In solchen Momenten erinnerte Solvi ihn an seinen Stiefvater Olaf. Bei diesem wusste Ragnvald dann immer, dass er sich einfach noch mehr anstrengen musste, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, und dass alles, was er tat, perfekt sein musste. Wie er jedoch Solvis Verhalten zu deuten hatte, wusste Ragnvald nicht.

Er lockerte seine Schultern und schüttelte die Beine aus, die vom Sitzen steif geworden waren. Dann kletterte er auf die andere Seite des Schiffes, von wo aus er dem Sohn des Lotsen einen herausfordernden Blick zuwarf. Beim Tanz über die Riemen musste man ständig sein Gleichgewicht verlagern, war immer kurz davor, zu fallen, und wenn man sich wieder gefangen hatte, glitt einem auch fast schon der nächste Riemen unter den Füßen weg. Er musste seinem Körper vertrauen und den Rhythmus der Ruderschläge spüren, sich auf jeden Einzelnen der Männer einstellen, wenn das eine Ruderblatt tief ins Wasser eintauchte, während das andere flach durch ein Wellental glitt. Agni, der Sohn des Lotsen, war kleiner und behänder als Ragnvald. Er hatte seine ganze Kindheit auf Schiffen verbracht und würde nur mit Mühe zu schlagen sein.

Solvi gab das Startzeichen, und Ragnvald lief los. Jetzt wo er ein Gefühl für die Bewegung bekommen hatte, würde er nicht einmal jeden Riemen berühren müssen. Er sprang im Gleichklang mit den Ruderschlägen, ließ sich von ihrem Schwung nach vorne werfen. Der Wind wurde kräftiger, und das Schiff rollte immer steifer in der stärker werdenden Dünung.

Noch vor dem Sohn des Lotsen erreichte Ragnvald den Bug. Er machte kehrt und hatte fast schon das Steuerruder erreicht, als Solvi rief: »Genug jetzt!«

Ragnvald streckte die Hand nach der Reling aus, um sich zurück auf das Deck zu schwingen. Er wollte bei dem schweren wollenen Segel mit anpacken, denn Solvi würde jede Hand brauchen können, bis es festgezurrt und gegen den Wind gestellt wäre.

»Du nicht«, sagte Solvi. Er stand jetzt ganz nah bei Ragnvald. Seine Worte galten nur ihm. Die Riemen, die die Männer eben noch gehalten hatten, verschwanden unter seinen Füßen. Das Wasser, über das er so sicher getanzt war, saugte nun an seinen Beinen und zog ihn hinunter. Die Kälte drang durch seine Hosenbeine. Er hing an den Planken der Reling und sah, wie die Männer die Ruder schwangen. Diejenigen, deren Blicke den seinen trafen, wandten schnell den Kopf ab.

»Helft mir rauf!«, rief er. Es fiel ihm schwer zu glauben, dass Solvi ihn über Bord gehen lassen wollte. »Hilf mir«, rief er noch einmal, an den einzigen Freund gewandt, auf den er sich noch verlassen konnte. »Egil, hilf mir doch!« Einen Augenblick lang schien Egil hin und her gerissen, dann sprang er auf. Doch Solvis Männer schlossen sich zu einer Mauer zusammen und hielten Egil an der Schmalseite des Schiffes zurück.

Verzweifelt klammerte Ragnvald sich an die Reling; die Kante des Holzbalkens schnitt ihm in die Arme. Immer wieder versuchte er, mit den Füßen Halt zu bekommen. Dann sah er, wie Solvi nach dem Dolch an seinem Gürtel griff.

»Ich wünschte, es bliebe mir erspart«, sagte Solvi, »aber ...« »Was?«, schrie Ragnvald. »Warte, mach das nicht – zieh mich rauf!« Solvis Gesicht hatte einen harten, entschlossenen Ausdruck angenommen. Jede Spur von Güte war gewichen. Ragnvald erstarrte, als Solvi den Dolch aus der Scheide zog und damit in Richtung seiner Kehle stieß. Ragnvald drehte den Kopf zur Seite, um dem Angriff auszuweichen, und die Klinge schnitt ihm tief in die Wange.

Der Schmerz riss ihn aus seiner Erstarrung. Das Blut pochte in seinen Schläfen. Egil würde die Mauer aus Solvis Kriegern nicht durchbrechen und ihm zu Hilfe kommen. Wenigstens hatte Ragnvald noch sein Schwert. Er war inzwischen so sehr gewöhnt, es zu tragen, dass er es sich auch bei dem Wettlauf nicht abgeschnallt hatte, um sein Gleichgewicht besser halten zu können. Mit einer Hand ließ er den Balken los, um danach zu greifen, konnte die Klinge in dieser Position aber nicht herausziehen. Er klammerte sich wieder an die Reling und schwang sich hinter den Achtersteven, so dass das Schwert nun zwischen seinem Körper und dem Schiff eingeklemmt war.

Solvi packte Ragnvalds Handgelenk und wollte ihn hochziehen, um ihm einen weiteren Dolchhieb zu verpassen, während dieser immer noch krampfhaft versuchte, mit den Füßen festen Stand zu bekommen. Solvi stöhnte und stach erneut zu, doch in diesem Moment ließ Ragnvald sich schlaff hängen, in der Hoffnung, dass Solvi nicht gleichzeitig sein Gewicht halten und ihm einen tödlichen Stoß versetzen konnte. Ein ums andere Mal stieß er sich von der Bordwand des Schiffes ab, nur um irgendwie aus Solvis Reichweite zu kommen. Dieser klammerte sich an Ragnvald, bis er schließlich mit seinem ganzen Oberkörper über der Reling hing. Noch einmal erwischte er Ragnvald leicht am Hals, dann ließ er ihn los, um nicht selbst über die Planken gezogen zu werden.

Ragnvald rang nach Luft, als er das eisige Wasser in seinem Gesicht spürte. Er atmete ein und musste husten. Das Salzwasser brannte in seinen Wunden, doch erschien ihm dieser Schmerz nur schwach gegenüber der schneidenden Kälte, die ihm wie Messerstiche in die Glieder fuhr, und dem Schock über Solvis Verrat. Die Strömung war an dieser Stelle des Fjords stark und würde ihn rasch vom Schiff forttragen, wenn er nichts unternahm. Dennoch blieb er unbeweglich, den Kopf nur knapp über der Wasseroberfläche, und wartete hundert Herzschläge lang, ehe er den Kopf hob und die Augen öffnete.

(Continues…)



Excerpted from "Krone Und Feuer"
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