Overview
Product Details
ISBN-13: | 9783944251011 |
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Publisher: | CINDIGObook |
Publication date: | 09/21/2012 |
Sold by: | Bookwire |
Format: | eBook |
Pages: | 280 |
File size: | 12 MB |
Note: | This product may take a few minutes to download. |
Language: | German |
About the Author
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Die Sahara ist die Heimat ungezählter Geister. Sie sind überall, gute und böse, nachts schlägt ihre Stunde. Man darf sie nie berühren. "Wenn du sie kennst, kannst du mit ihnen leben. Aber du musst immer auf der Hut sein. Selbst die guten wollen dich verführen. Kennst du sie nicht, kann das sehr schnell deinen Tod bedeuten", warnte mich ein angesehener marabout, der unlängst einem lästigen Geist die rechte Hand mit dem Schwert abgeschlagen hatte. Der heilige Mann ist keineswegs verrückt oder senil, sondern steht als oberster Hirte einer großen Familie verantwortungsvoll mitten im Leben. Realitäten mögen verschieden sein, aber nur wer versucht zu sehen, kann vielleicht irgendwann einmal ein wenig erkennen. Manchmal nehmen die lästigen Geister jedoch eine sehr menschliche Gestalt an. Im Winter 1994 wurde ich in Assamakka der nigrischen Grenzstation fast eine Woche festgehalten. Mein Pass war eingezogen worden. Ohne Militärkonvoi durfte niemand den Ort verlassen. Angeblich zum Schutz vor den Tuaregrebellen, aber wahrscheinlich um die Konvoigebühr zu rechtfertigen. Während dieser Wartezeit im Nichts als einzige Frau unter zweihundert Schmugglern, Soldaten und fünf europäischen Reisenden habe ich begriffen was Geduld heißt. Vielleicht habe ich gelernt, von Tag zu Tag zu leben und die Zeit zu vergessen. Seit drei Tagen ist der Konvoi überfällig. Angeblich wartet er in Arlit auf einen Lastwagen mit Marlboros aus Nigeria. Ich sitze angelehnt an einer Lehmwand nahe der Grenzstation. Vor mir ein weites Panorama. Im Westen ein Ziehbrunnen umgeben von mächtigen Akazien, dahinter die Kaserne mit ihren verfallenen Baracken und drei rostige Sanitätscontainer. Richtung Norden schließen sich zwei kleine, viereckige Häuschen von Zoll und Polizei an. Davor liegt ein vom Sand halb zugewehtes ausgebranntes Buswrack. Dann freie Sicht auf einen Streifen Wüste, in dem sich Reisende nähern oder entfernen. Im Osten wird er von den Bast- und Lehmhütten des Dorfes begrenzt. Alles ist mit feinem, beigem Staub überzogen. Neben uns sechs Europäern hat ein Händler seinen Tisch aufgestellt. Er versorgt alle mit Getränken und einem Gebäck, dessen Konsistenz sehr an Spanplatten erinnert. Jede Bewegung an der Grenze wird beobachtet. Immer wieder kommen Toyotas an oder entfernen sich mit hoher Geschwindigkeit. Es sind Schmuggler aus Mali und Algerien, die weder kontrolliert noch angehalten werden. Ab und zu hebt ein Uniformierter die Hand zum lässigen Gruß. Ein strahlend weißer Mercedes S-Klasse erscheint wie ein Trugbild in der Ferne. Er nähert sich langsam. "Vielleicht ist es irgendein Präsident, der einen Putsch überlebt hat?" Zoll und Polizei blasen zum Angriff. Plötzlich bleibt der Mercedes im Tiefsand stecken. Drei Männer steigen aus und schieben. Niemand hilft. Nach dreißig Minuten erreichen sie die Grenze und verschwinden im vertrauten Gewühl von Uniformen und Schleppern. Wa-Benzi - dieses neue Volk ist in ganz Afrika entstanden. Wa-Benzi heißen die Herrschenden, die ihren Reichtum auf Kosten anderer erwerben und sich nach dem Motto "Mein Mercedes ist größer als deiner" Lichtjahre von ihren Mitmenschen entfernen.